Berlin - Reichstag Außenansicht vom Eingangsbereich

Bericht aus Berlin: Dr. Torsten Bischoff

Unser Autor:

Seit dem 1. Januar 2014 sind wir Mitglied der Stadt­werke-Koope­ration Trianel. Von dort erhalten wir auch regel­mäßig Infor­ma­tionen und Einschät­zungen über die Regie­rungs­arbeit in Berlin. Der Schwer­punkt liegt dabei auf den Fragen Energie und Umwelt. Wir haben Dr. Torsten Bischoff von der Trianel um ein Interview gebeten. Dr. Torsten Bischoff ist Leiter Unter­neh­mens­kom­mu­ni­kation und Energie­po­litik bei der Trianel in Aachen.

Dr. Torsten Bischoff, Trianel

Kerstin Griese: Herr Dr. Bischoff, vielen Dank, dass Sie sich heute die Zeit nehmen, dieses Interview mit uns zu führen. Zunächst würde es unsere Leser sicherlich inter­es­sieren, mehr über Sie zu erfahren. Deshalb wäre es schön, wenn sie sich und ihre Position bei Trianel kurz vorstellen könnten.
Dr. Torsten Bischoff: Ich leite seit einem Jahr die Abteilung für Unter­neh­mens­kom­mu­ni­kation und Energie­po­litik bei Trianel und dazu gehört auch das Büro in Berlin. In den letzten zehn Jahren war ich im Bundes­mi­nis­terium tätig, nachdem ich vorher 20 Jahre im öffent­lichen Dienst gearbeitet habe. Durch diese beruf­liche Vergan­genheit und die damit verbun­denen Kontakte und Denkweisen, sehe ich mich als eine Art Vermittler zwischen der politi­schen Welt und der Privat­wirt­schaft. Dies ist einer der Gründe, wieso ich heute bei den Stadt­werken Solingen bin. Ich möchte aufzeigen, was die Politik in der gerade begon­nenen Legis­la­tur­pe­riode im Bereich der Energie­po­litik vorhat und welche Schlüsse die Stadt­werke Solingen daraus ziehen können.

Kerstin Griese: Mit dieser Einleitung haben Sie schon die erste meiner Fragen vorweg genommen: Wieso ist das Haupt­stadtbüro in Berlin für die Stadt­werke Solingen von Bedeutung?
Dr. Torsten Bischoff: Wir bieten Versorgern wie den Stadt­werken Solingen von dort aus direkte und indivi­duelle Beratung in allen Frage­stel­lungen rund um Energie­themen. So können Sie sich jederzeit an uns wenden, wenn es beispiels­weise Fragen zu Gesetzen oder Förder­pro­grammen der Bundes­re­gierung gibt. Dem gehen wir gerne nach.

Kerstin Griese: Welche Trends sehen Sie als Insider im Moment für die gesamte Energiebranche?
Dr. Torsten Bischoff: Der wichtigste Trend in der gesamten Energie­branche ist die Energie­wende, welche nicht mehr zu stoppen ist. Aller­dings wird sie beim Ausbau der erneu­er­baren Energien wahrscheinlich langsamer voran­schreiten als in den vergan­genen Jahren. In den Vorder­grund rückt ganz eindeutig das Thema Strom­netze. Auch Übertra­gungs­netze stehen im Fokus der Bundes­re­gierung. Für die Stadt­werke sehe ich große Chancen in dem Thema Verteil­netze. Dieses wird in der Legis­la­tur­pe­riode immer mehr an Bedeutung gewinnen, da bin ich mir relativ sicher.

Kerstin Griese: Im Sondie­rungs­papier wurden die Klima­schutz­ziele 2020 offiziell aufge­geben. Was war Ihrer Meinung nach der der Grund dafür?
Dr. Torsten Bischoff: Der Grund dafür ist, dass das Jahr 2020 in die jetzige Legis­la­tur­pe­riode fällt. Das bedeutet, dass die aktuelle Regierung die Verant­wortung tragen und einge­stehen müsste, die verein­barten Klima­schutz­ziele nicht erreicht zu haben. Der Politik gefällt dies gar nicht. Deshalb wird als neues Ziel das Jahr 2030 angesetzt, welches dann in der nächsten Legis­la­tur­pe­riode liegt.

Kerstin Griese: Das heißt, wie steht die neue Regierung zum Thema Klima­schutz und Umwelt? Und welche Geset­zes­in­itia­tiven können wir in den nächsten vier Jahren erwarten?
Dr. Torsten Bischoff: Das lässt sich noch nicht abschließend sagen. Die Themen Umwelt und Klima­schutz haben in der Regie­rungs­er­klärung der Bundes­kanz­lerin nicht wirklich eine promi­nente Stelle einge­nommen. Was sicher kommen wird – quasi ad hoc schon in den nächsten Monaten – ist ein leicht überar­bei­tetes Erneu­erbare-Energien-Gesetz (EEG) und im Jahre 2019 eine weitere EEG-Novelle. Absehbar ist auch ein Klima­schutz­ge­setzt, welches im Koali­ti­ons­vertrag angekündigt wurde. Basis soll der Klima­schutzplan 2050 der Bundes­re­gierung sein. Schwä­cheln wird die Bundes­re­gierung nach wie vor beim Thema Energie­ef­fi­zienz. Da gibt es weder große Ideen, noch wird neues Geld investiert.

Kerstin Griese: Sie haben gerade das Jahr 2019 angesprochen. Erst 2019 sollen Gesetze zum Ausstieg aus der Kohle­ver­stromung verab­schiedet werden. Wieso ist der Ausstieg nicht ad hoc möglich?
Dr. Torsten Bischoff: Laut Koali­ti­ons­vertrag soll der Kommission schon Ende 2018 ein Ergebnis, mit einem konkreten Ausstiegs­datum, vorliegen. Das ist aller­dings, da es die Kommission heute noch nicht offiziell gibt, aus meiner Sicht nicht erreichbar. Wahrschein­licher ist die Mitte oder das Ende des Jahres 2019. Der Beschluss müsste wiederum erst einmal in einem Gesetz­ge­bungs­ver­fahren parla­men­ta­risch umgesetzt werden. Der Ausstieg dauert so lange, da viele Inter­es­senten daran beteiligt sind. Man muss bspw. Dinge wie Arbeits­plätze oder Struk­tur­wandel bedenken. An den Gesprächen darüber dürfen meines Erachtens nicht nur die Unter­nehmen teilnehmen, die selber Kohle verstromen. Denn ein Nicht-Ausstieg aus der Kohle belastet auch dieje­nigen, die auf erneu­er­baren Energien und Gaskraft­werke setzen. Auch die müssten aus meiner Sicht unbedingt mit an den Tisch.

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Kerstin Griese: Die erneu­er­baren Energien sollen „netzsyn­chroner“ und „zunehmend markt­ori­en­tierter“ ausgebaut werden. Was genau ist damit gemeint?
Dr. Torsten Bischoff: Man kann nur mutmaßen, was ein „netzsyn­chroner Ausbau“ der erneu­er­baren Energien bedeuten soll. Gesetzlich vorge­schrieben ist, dass der Netzaufbau dem Ausbau erneu­er­barer Energien zu folgen hat. Meiner Meinung nach bedeutet es, keinen beschleu­nigten Ausbau der erneu­er­baren Energien. Das beißt sich wiederum mit dem Ziel aus dem Koali­ti­ons­vertrag, 65% erneu­er­barer Energien schon bis zum Jahr 2030 erreicht zu haben. „Netzsyn­chro­nität“ kann man aus meiner Sicht aber auch positiv verstehen, indem man sagt: ‚Die Bedeutung der Verteil­netze muss steigen, weil die Haupt­quelle der Engpässe im Übertra­gungsnetz liegt.‘ Hierfür müssten jedoch die Verteil­netze mehr Verant­wortung übernehmen können und entspre­chende moderne Technik im Verteilnetz auch erstattet bekommen.

Kerstin Griese: Wäre dies somit auch ihre Lösung für die Frage, wie die Bundes­re­gierung den Ausbau der Übertra­gungs­netze gewähr­leisten will, angesichts der Bürger­pro­teste und explo­dierten Kosten?
Dr. Torsten Bischoff: Ja, die Bundes­po­litik hat bis jetzt die Verteil­netze noch nicht auf dem Schirm. Sie wird es, glaube ich, in dieser Legis­la­tur­pe­riode merken. Ich denke, dass es eigentlich keine sinnvolle andere Alter­native gibt, außer der stärkeren Dezen­tra­lität bei der Energiewende.

Kerstin Griese: Ich würde nun gerne noch auf das Thema Elektro­mo­bi­lität zu sprechen kommen. Welche konkreten Maßnahmen halten Sie für realis­tisch und erfolgsversprechend?
Dr. Torsten Bischoff: Meiner Meinung nach wird es bei der Elektro­mo­bi­lität letzt­endlich ein sogenanntes „Henne-Ei-Problem“ geben. Der Koali­ti­ons­vertrag kann sich im Moment nicht zwischen der Forderung nach einer besseren Infra­struktur in Form von Ladesäulen oder nach mehr Elektro­fahr­zeugen entscheiden. Mehr Ladesäulen bedeuten natürlich auch wiederum Konse­quenzen für die Netze. Hinter der Idee der Elektro­mo­bi­lität steht vor allen Dingen die Dekar­bo­ni­sierung des Verkehrs. Das kann man auf der einen Seite natürlich durch Elektro­mo­bi­lität erreichen, jedoch kommen für die Dekar­bo­ni­sierung auch synthe­ti­sches Methan oder Wasser­stoff in Frage. Deshalb würde ich mir von der Bundes­re­gierung wünschen, eine neutralere Haltung gegenüber Techno­logie einzu­nehmen und offen für andere Konzepte zu sein.

Kerstin Griese: Eine letzte Frage zum Abschluss: Was haben wir im Baurecht an energe­ti­schen Maßnahmen zu erwarten?
Dr. Torsten Bischoff: Für dieses Gebiet bin ich kein Fachmann. Ich weiß jedoch, dass es dort die steuer­liche Forderung geben soll. In der letzten Legis­la­tur­pe­riode ist dieser Ansatz gescheitert. Ich kann nur hoffen, dass es dieses Mal ein Erfolg wird.

Autor: Kerstin Griese

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