„Ein Elektroauto brennt nicht öfter, nur anders“
Immer wieder berichten Medien über E-Autos, die plötzlich in Flammen stehen. Warum die Stromer dennoch bei einem Unfall genauso sicher sind wie Verbrenner und kein höheres Brandrisiko tragen, hat mir Ralf Seidel von der Feuerwehr Solingen erklärt.
Interview mit Brandrat Ralf Seidel, Feuerwehr Solingen
Olbrisch: Hr. Seidel, im Internet und auch in anderen Medien sorgen regelmäßig Bilder und Berichte von brennenden Elektroautos für Irritationen bei E-Autobesitzern und solchen, die es werden wollen. Doch die Erkenntnisse von renommierten Unfallforschern und Statistiken, wie z. B. die des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sprechen eine andere Sprache. Danach brennen Elektroautos nicht häufiger als Verbrenner. Deckt sich das auch mit Ihren Erfahrungen hier in Solingen?
Seidel: Ja. Der beste Beweis dafür ist, dass wir in Solingen bisher noch keinen einzigen Elektroauto-Brand bekämpfen mussten. Und dass obwohl jedes Jahr immer mehr Hybrid- und vollelektrische Fahrzeuge auf unseren Straßen herumfahren. Aktuelle E-Autos und moderne Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor besitzen in etwa die gleiche Brandlast, weil hier wie dort jede Menge Kunststoff an Bord verbaut ist. Und im Fall einer Autopanne besteht in der Regel keine elektrische Gefährdung, da die Elektroautos systembedingt und durch Maßnahmen der Hersteller abgesichert sind. Ich schätze die Brandgefahr, die von einem E-Auto ausgeht, deshalb nicht höher ein als die, die von einem Fahrzeug mit Verbrenner-Motor ausgeht.
Olbrisch: Gesetzt den Fall, ein E-Auto gerät doch einmal in Brand. Stimmt es, dass die Löscharbeiten dann für die Feuerwehr deutlich aufwändiger wären?
Seidel: Ein Elektroauto brennt nicht häufiger, nur anders. Das heißt im Klartext: Grundsätzlich ist die Taktik unseres Vorgehens bei einem brennenden Fahrzeug erst einmal dieselbe, egal ob E-Auto oder Verbrenner. Bei einem in Brand geratenen Elektroauto würden wir zunächst ermitteln, ob der Fahrzeugakku ebenfalls vom Brand betroffen ist. Dann wird es allerdings komplizierter als bei einem Verbrenner, denn der Akku eines E-Autos ist von einer sehr gut schützenden Kapsel umschlossen. Durch sie kann kaum etwas von außen den Akku erreichen. Leider gilt das auch für Löschwasser. Gleichzeitig wird in einem brennenden Akku enorm viel Energie freigesetzt. Das liegt an den Lithium-Ionen-Batterien, deren Zellen sich in einer Art Domino-Effekt entzünden können. Da der Akku also von innen kaum gelöscht werden kann, müsste er von außen permanent mit sehr viel Wasser gekühlt werden.
Olbrisch: Es würde dann also nicht reichen, die sichtbaren Flammen zu bekämpfen, sondern auch der äußerlich unsichtbare Brand im Fahrzeugakku müsste gelöscht werden. Wo bekämen Sie denn im Ernstfall am jeweiligen Brandort so viel Wasser her?
Seidel: Wir würden dafür die öffentliche Wasserversorgung vor Ort, sprich: Hydranten, nutzen. Das wäre also kein Problem. Eine Besonderheit beim Akkubrand ist allerdings, dass sich der in Brand geratene Akku auch über einen langen Zeitraum hinweg immer wieder neu entzünden könnte. Deshalb müsste ein brennender Akku sehr, sehr lange abgekühlt werden, bis er vollständig ausgebrannt wäre und keine Entzündungsgefahr mehr bestehen würde.
Olbrisch: Wie sähe dann das weitere Vorgehen der Feuerwehr aus?
Seidel: Für einen solchen Fall arbeiten wir hier in Solingen mit einem Entsorgungsunternehmen zusammen. Wenn wir nach längerer Kühlung im Inneren der Batterie eine Temperatur messen würden, die unter einem bestimmten Wert liegt, müsste der Wagen von unserem Dienstleister abgeschleppt und dann in einen speziellen Container mit Wasser gesetzt werden. Dort würde das Fahrzeug dann noch so lange bleiben, bis der Akku vollständig ausgebrannt wäre. Das wären in der Regel rund 72 Stunden.
Olbrisch: In einem Pressestatement hat einmal ein Vertreter des Deutschen Feuerwehrverbands von der Autoindustrie mehr Unterstützung beim Umgang mit Bränden von Elektroautos gefordert. Was sagen Sie dazu?
Seidel: Das sehe ich ähnlich. Eigentlich sollte das nötige Abschleppen, langfristige Kühlen, Beobachten und die anschließend notwendige Zerlegung das abgebrannten E-Autos in die Zuständigkeit der Autohersteller fallen. Von denen bekommen wir leider nur in einzelnen wenigen Fällen nähere Informationen darüber, welche möglichen Gefahrenstellen in Bezug auf einen Brand es bei den jeweiligen Automodellen geben könnte.
Olbrisch: Würden die Feuerwehren in Deutschland bei einem E-Auto-Brand alle einheitlich so vorgehen wie Sie hier in Solingen?
Seidel: Der Brand eines Elektroautos ist kein einfaches Thema, denn es gibt aufgrund der mangelnden Erfahrungswerte noch keine einheitlichen Handlungsvorgaben für alle Feuerwehr-Dienststellen. Aber es existieren Leitlinien, an die wir uns hier in Solingen halten. So hat das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales eine Handlungsempfehlung für die Feuerwehr für den Fall eines brennenden Elektrofahrzeugs herausgegeben. Danach richten wir uns. Außerdem berücksichtigen wir die – leider eben noch zu wenigen – uns vorliegenden Informationen einzelner Autohersteller, in denen zu beachtende Besonderheiten bei deren Automodellen beschrieben werden. Und wir tauschen wir uns regelmäßig mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus anderen Städten aus, denn wir sind untereinander gut vernetzt. So teilen wir unsere Erfahrungen u.a. im Rahmen von sog. Seminareinsatzbesprechungen.
Olbrisch: Ich danke Ihnen für dieses Gespräch.