Elektroinstallation 1905 und heute
Als mein Kollege neulich nach 40 Jahren Stadtwerke in Rente ging, hat er in seinen Schreibtisch ein kleines Büchlein aus dem Jahr 1905 gefunden. Herausgegeben von den Solinger Elektrizitätswerken war es eine Handreichung für Elektroinstallateure.
Standards und Normen
Klar, dass unsere hausinternen Elektroinstallateure das Buch extrem spannend fanden. Ich habe Bastian Beier, unserem Ausbildungsleiter für die Elektroniker, dabei über die Schulter geschaut. „Im Grunde ist das eine Zusammenfassung von technischen Richtlinien, die heute z. B. vom VDE herausgegeben werden“, erklärt er mir. Der VDE oder Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik e. V. setzt Standards und Normen für die Branche.
Elektrizität als Novum
Kein Wunder, dass es 1905 sehr viel Bedarf gab, Vorgehensweisen zu definieren, um einen Standard zu schaffen. Schließlich war die Nutzung von Elektrizität in privaten Häusern Ende des 19. Jahrhunderts ein absolutes Novum. 1897 ging in Solingen eine Kraftzentrale zur Erzeugung von Elektrizität in Müngsten in Betrieb. Insofern war es eine große Leistung nur acht Jahre später, entsprechende Standards zu definieren und zu beschreiben. Auch damals schon ein großes Thema: Das Elektrizitätsnetz, das konstant mit 50 Hertz betreiben werden muss, stabil zu halten. Während heute aber eher große Verbraucher wie Durchlauferhitzer von Netzbetreiber genehmigt werden müssen, wurde 1905 selbst die Zahl der im Haushalt angeschlossenen Lampen an das Solinger Elektrizitätswerk gemeldet und von dort geprüft. Bastian Beier: „Das Netz war damals viel anfälliger für Störungen.“
Behörde Elektrizitätswerk
Bastian Beier: „Das Buch zeigt den starken behördlichen Charakter, den ein Elektrizitätswerk damals hatte. So musste der Elektroinstallateur damals nicht nur den Abschluss einer Installation beim Solinger Elektrizitätswerk melden, sondern auch, dass er vorhatte, eine solche vorzunehmen. Da bekommen wir heute nach der Fertigstellung der Hausinstallation nur noch den Zählerantrag.“ Selbst der Austausch von Lampen musste angezeigt werden.
Stromkosten
Was man auch erkennt: Das noch junge Produkt Strom musste den Endkunden argumentiert werden. So finden sich in dem Büchlein Listen, wie lange Lampen in welchen Räumen etwa betrieben werden und was das kosten würde. Bastian Beier: „Es fehlten halt die Erfahrungswerte mit dem neuen Energieträger. Wer in eine Hausanlage investierte, wollte schon vorher wissen, welche Kosten auf ihn zukommen würden.“ Die Kunden mussten sich übrigens seinerzeit verpflichten, dass sie in den ersten drei Jahren nach der Installation des Hausanschlusses mindestens für 150 Mark Strom abnehmen würden. Die Kosten für Elektrizität beliefen sich damals auf 45 Pfennig pro kWh.
Hohe Güte der Ausführung
Besonders beeindruckt ist Bastian Beier von den technischen Zeichnungen in dem Büchlein: „Die Tuschezeichnungen sind penibel ausgeführt, absolut akurat. Da stimmt jeder Strich, jeder Abstand. Man sieht wieviel Mühe sich die Elektroinstallateure damals gegeben haben und auch wie viel Zeit sie für solche Tätigkeiten aufwenden mussten, die heute schnell am Computer erledigt werden.“
Autor: Kerstin Griese