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Energie­wende: Was steht im Koalitionsvertrag?

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80 % des in Deutschland benötigten Brutto­strom­be­darfs soll bis 2030 aus erneu­er­baren Energie­quellen stammen. Das schreibt die neue Regierung in ihrem Koali­ti­ons­vertrag vor. Was das bedeutet und wie das konkret erreicht werden soll, lest ihr hier.

Zentrale Regie­rungs­aufgabe: der Klimaschutz

Wochenlang wurde um jedes Wort gerungen, Am 6. Dezember war es endlich soweit: Nach SPD und FDP hatten auch die Mitglieder der Grünen dem dem Koali­ti­ons­vertrag (1,3 MB, PDF) zugestimmt. Am 7. Dezember wurde dann das 177 Seiten starke Dokument unter­zeichnet. Der Vertrag umfasst ein großes Bündel verschie­denster Themen und Maßnahmen, die im Laufe der kommenden Legis­la­tur­pe­riode angegangen werden sollen. Schon auf den ersten Textseiten wird deutlich: Klima­schutz steht ganz oben auf der Regie­rungs-Agenda. Er „sichert Gerech­tigkeit, Freiheit und nachhal­tigen Wohlstand“. Dementspre­chend hat das Erreichen des inter­na­tio­nalen Pariser Klima­schutz­ziels, also die Erder­wärmung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorin­dus­tri­ellen Zeit zu begrenzen, für die Ampel­ko­alition oberste Priorität. Außerdem bekennt sich die neue Regierung klar zu den „17 Nachhal­tig­keits­zielen der Vereinten Nationen“. Diese wurden im Rahmen der sog. „Agenda 2030“ im Jahr 2015 auf einem Gipfel­treffen der Vereinten Nationen in New York von 193 Staats- und Regie­rungschef verab­schiedet. Damit verpflich­teten sich die Staaten dazu, bis spätestens 2030 allen Menschen ein Leben in Würde zu sichern. Die „17 Ziele für nachhaltige Entwicklung“ (mehr darüber könnt ihr in meinem nächsten Blogbeitrag erfahren) stehen unter anderem für die Bekämpfung des Klima­wandels und den Schutz natür­licher Lebensgrundlagen.

Mehr Tempo bei der Energiewende

Damit die von der Ampel­ko­alition formu­lierten klima­po­li­ti­schen Ziele in den nächsten Jahren erfolg­reich umgesetzt werden können, kommt es laut Koali­ti­ons­vertrag maßgeblich auf zwei Faktoren an:

  1. Die Beschleu­nigung der Energie­wende: Der Ausbau der erneu­er­baren Energien soll verein­facht werden, zum Beispiel durch den Abbau bürokra­ti­scher Hinder­nisse, die Verein­fa­chung von Geneh­mi­gungs­ver­fahren und durch das Aufstellen neuer, ehrgei­zi­gerer Ausbauziele.
  2. Schluss mit fossilen Energie­trägern: Der Kohle­aus­stieg soll zeitlich vorge­zogen werden (möglichst bis zum Jahr 2030) und Motoren, die mit fossilen Kraft­stoffen betrieben werden, sollen ersetzt werden.

Klima­schutz­gesetz wird weiter­ent­wi­ckelt: Massiver Ausbau von Solar­energie und Windkraft

Als ersten, wichtigen Schritt planen die Koali­ti­ons­par­teien eine Weiter­ent­wicklung des bestehenden Klima­schutz­ge­setzes, und zwar noch in diesem Jahr. Damit soll die Klima­neu­tra­lität kosten­ef­fi­zient, techno­lo­gie­offen und verlässlich bis spätestens 2045 Wirklichkeit werden. Außerdem will die neue Ampel­re­gierung am schon beschlos­senen Atomaus­stieg festhalten, ein Klima­schutz-Sofort­pro­gramm bis Ende 2022 auflegen und das EU-Programm Fit-für-55 unter­stützen. In puncto Ausbau der erneu­er­baren Energien haben sich SPD, Grüne und FPD viel vorge­nommen: Sie schätzen den zukünf­tigen Brutto­strom­bedarf Deutsch­lands höher ein als die letzte Bundes­re­gierung und gehen im Koali­ti­ons­vertrag von benötigten 680 bis 750 Terrawatt Strom im Jahr 2030 aus. Davon sollen 80 % bis 2030 aus erneu­er­baren Energien gewonnen werden, insbe­sondere aus Windkraft und Solar­energie. So plant die Koalition mit einer Produk­ti­ons­er­höhung von Windkraft auf dem Meer in Höhe von insgesamt 30 Gigawatt (GW) bis 2030, anstatt wie bisher vorge­sehen nur 20 GW. 2045 sollen sogar 70 GW Offshore-Windenergie erzeugt werden können. Für Windenergie an Land sollen zwei Prozent der Bundes­fläche reser­viert werden. Um das Ausbauziel der Regierung insgesamt zu erreichen, sollen in Deutschland von heute an außerdem etwa 200 GW Photo­voltaik (PV)-Leistung instal­liert sein. Das entspricht rund 140 GW PV-Leistung, die in den nächsten neun Jahren noch zugebaut werden müssten. Dazu sollen unter anderem …

  • die Dachflächen gewerb­licher Neubauten zukünftig verpflichtend für Solar­module genutzt werden, auf privaten Neubauten sollen Solar­an­lagen „zur Regel“ werden.
  • private Bauher­rinnen und -herren von bürokra­ti­schen Hürden beim Betrieb einer Solar-Anlage befreit werden.
  • die EEG-Umlage ab 1. Januar 2023 vollständig über den Bundes­haushalt finan­ziert werden, um den Strom­preis für Verbraucher zu senken und die Betreiber von PV-Anlagen zu entlasten. Sie mussten bisher für den selbst verbrauchten Strom ab einer Anlagen­größe von 30 kWp eine anteilige Umlage bezahlen. Gegen­wärtig wird disku­tiert, ob aufgrund der hohen Energie­preise, die EEG-Umlage für die Verbraucher auch früher fällt.

Erneu­erbare Energien: Mehr Klima­schutz im Gebäudesektor

Wie schon mein Kollege Frederik Schacht in seinem Blogbeitrag zur Wärme­wende geschrieben hat, stammen 28 % der CO2-Emissionen aus dem Gebäu­de­sektor. Nachvoll­ziehbar also, dass die neue Regierung ein großes Maßnah­men­paket zur Optimierung von Gebäu­de­hüllen, zur Erzeugung und Versorgung mit erneu­er­barer Energie an Gebäuden und zur Unter­stützung von Quartiers­lö­sungen plant:

  • Ein neues Stufen­modell nach Gebäu­de­en­er­gie­klassen soll zum 1. Juni 2022 die geplante Aufteilung der CO2-Abgabe regeln, die im Fall eines Mietver­hält­nisses derzeit noch Wohnungs­mie­te­rinnen und -mieter alleine tragen müssen. Geplant ist, die Abgabe-Kosten zukünftig zwischen Miete­rinnen und Mietern und Vermie­te­rinnen und Vermietern fair aufzuteilen.
  • Die Ampel­re­gierung will das Gebäu­de­en­er­gie­ge­setzes (GEG) ändern:
    • Ab dem 1. Januar 2025 muss jede neu einge­baute Heizung auf der Basis von mind. 65 % erneu­er­barer Energien betrieben werden. Näheres dazu erfahrt ihr im Blogar­tikel zur Gas-Hybrid­heizung von Stefan Stüllein.
    • Nach dem vorzei­tigen Auslaufen des Förder­pro­gramms für Neubauten nach KfW-Effizi­enzhaus-Standard 55, das gerade für viel öffent­lichen Ärger gesorgt hat, plant die Koalition eine Anschluss­för­derung für energie­ef­fi­ziente Sanie­rungen und für KfW-EH-40-Neubauten. Für Letztere ist nach aktuellen Aussagen von Wirtschafts- und Klima­mi­nister Habeck ein reduziertes Volumen von eine Mrd. Euro befristet bis Ende des Jahres vorge­sehen. Im Anschluss soll es ein neues Förder­pro­gramm für klima­freund­liches Bauen und für den sozialen Wohnungsbau geben. Es zielt auf die Senkung von Treib­hausgas-Emissionen pro m2 Wohnfläche. Welche finan­zi­ellen Förde­rungen es derzeit rund um die Strom- und Wärme­ge­winnung aus erneu­er­baren Energien gibt, könnt ihr übrigens demnächst in einem neuen Blogbeitrag von Stefan Stüllein lesen.
    • Der Gebäu­de­en­er­gie­ausweis soll überar­beitet werden.

Deutschland soll Leitmarkt für Elektro­mo­bi­lität werden

Als dritt­größter Verur­sacher von Treib­haus­gas­emis­sionen steht auch der Verkehrs­sektor besonders im Fokus der Klima­schutz-Pläne von SPD, Grünen und FDP. Die Ampel­ko­alition will deshalb unter anderem die Automo­bil­in­dustrie umgestalten und Deutschland zum Leitmarkt für Elektro­mo­bi­lität sowie zum Inves­ti­ti­ons­standort für autonomes Fahren entwickeln:

  • Mind. 15 Mio. vollelek­trische Pkw sollen bis 2030 in Deutschland angemeldet sein. Pkws, die nachweislich nur mit E-Fuels, also synthe­ti­schen Kraft­stoffen, betankt werden können, sollen aber auch nach 2030 neu zugelassen werden dürfen.
  • Die aktuelle staat­liche Förderung von E-Autos wird bis zum 31. Dezember 2022 unver­ändert fortge­setzt. Anschließend will die Regierung die Innova­ti­ons­prämie refor­mieren. Ihre Höhe würde sich dann nach dem elektri­schem Fahranteil und der elektri­schen Mindestreich­weite eines Fahrzeugs richten. Die Förderung soll insgesamt schritt­weise abgesenkt werden.
  • Plug-in-Hybride sollen ab August 2023 nur noch dann förder­fähig sein, wenn sie über eine elektrische Mindestreich­weite von 80 km verfügen.
  • Entspre­chend den Richt­linien der Europäi­schen Kommis­sionen sollen ab 2035 nur noch Fahrzeuge zugelassen werden, die CO2-neutral fahren. Ein konkretes Ausstiegs­datum für Verbrenner-Motoren steht aller­dings nicht im Koalitionsvertrag.
  • Verstärkter Ausbau der Ladesäu­len­in­fra­struktur: Eine Mio. öffent­liche, diskri­mi­nie­rungsfrei zugäng­liche Ladepunkte sind geplant. Dabei liegt der Schwer­punkt auf Schnellladesäulen.
  • Die Förderung umwelt­freund­licher Busse wird verlängert.
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