(M)ein nicht ganz objektiver Fahrbericht
Da steht er nun, schwarz… stylisch… zierlich… und genau da liegt das Problem, denn ich bin alles andere als zierlich, bringe stolze 100+ kg auf die Waage. Ob das eine so gute Idee war, heute mal vom Auto auf den E-Scooter umzusteigen? Zweifel beschleichen mich, doch abgemacht ist abgemacht. Ich habe spontan zugesagt, einmal ungefiltert ein paar Eindrücke vom Stadtwerke E-Roller in einem Fahrbericht zu schildern.
Die ersten Meter sind noch ein wenig wackelig, ich bin schwere Motorräder gewöhnt, Sitzposition und Handlichkeit des Rollers verunsichern mich. Meine Mopedzeiten liegen viele Jahre zurück, die, bläuliche Benzinschwaden hinter sich herziehenden Träume meiner Jugend hießen Zündapp, Kreidler oder Piaggio, viel Lärm – wenig Leistung, aber wir waren die Könige! Tuningstufe 1 seinerzeit: Wenn`s schon nicht schneller geht, dann zumindest lauter!
Dieser Roller ist anders, die gute Beschleunigung überrascht mich … Kein kreischendes Zweitaktmotörchen, das nur widerwillig Krach in zögerliche Beschleunigung umsetzt. Vom Start weg geht`s sofort zügig zur Sache … und das absolut leise, bereits nach wenigen Metern übertönt der Fahrtwind das Surren des Elektromotors. Irgendwie fühlt sich das richtig an, es gefällt mir, passt zu meinem heutigen Umweltbewusstsein. Die Zeiten haben sich geändert – meine Freude an Mopeds definitiv nicht.
Mein Fahrstil wird schnell forscher, ich will ihn wieder fühlen, suche den unbekümmerten Fahrspaß meiner Jugend… und muss schlagartig umdenken! Viel zu flott gehe ich in die erste Kurve, der Scooter fährt sich zunächst doch etwas kippelig, er reagiert auf die kleinste Bewegung. Vor der nächsten Kurve erst einmal von den erlaubten 45 km/h, auf beruhigende 30 km/h herabgebremst, den Spott der Kollegen, wenn ich den Roller zerlege, möchte ich mir dann doch ersparen.
Aha – mit weniger Enthusiasmus am Gasgriff fühle ich mich in Kurven gleich sicherer, taste mich langsam ran, werde routinierter, mein Blick hängt nicht mehr ununterbrochen kontrollierend im Rückspiegel, ob hinter mir schon ein genervter Autofahrer mangels Überholmöglichkeit frustriert ins Lenkrad beißt.
Ich fahre einen Umweg, suche mir eine kurvige Strecke, lasse es verhalten angehen und so langsam kommen wir beide in Fluss, der Roller und ich werden eins, surfen auf einer sauberen Linie durch die Kurven, kein nervöses korrigieren mehr, das kippelige Gefühl ist weg, die Autofahrer vor mir schaffen es auch nicht schneller durch die Kehren im Ittertal. In der 30er Zone bergauf ziehe ich, zugegeben nicht ganz gesetzeskonform, sogar davon. Ich bin jetzt seit 30 Minuten unterwegs und habe trotz Umwegen mein Ziel beinahe erreicht. In den Schaufenstern der Nachbarstadt ein prüfender Blick auf den Roller und mich … ein breites Grinsen … passt, wir sind jetzt schon Freunde.
Am Ziel angekommen macht sich Bedauern breit, zu gerne wäre ich noch ein paar Runden gefahren.
Lässig klappe ich den Seitenständer aus und lasse den E-Scooter zur Seite kippen, steige ab, so wie kein Italiener in den 50er Jahren hätte lässiger von seiner Vespa absteigen können und ich fühle mich prächtig. Einziger Wermutstropfen: Die Fahrt war einfach viel zu kurz. Ein Blick auf die „Tank“-Anzeige, der Akku ist locker noch zu ¾ geladen … ein Blick auf meine Smartphone … die Herzallerliebste kommt frühestens in einer halben Stunde heim … und morgen soll ich den E-Roller schon wieder abgeben, da wäre es doch nahezu sträflich, mir nicht noch ein paar Kilometer Spaß zu gönnen! Der Zündschlüssel steckt noch, ich rücke die Sonnenbrille zurecht, klappe den Seitenständer wieder ein … heute werde ich etwas später nach Hause kommen …
Autor: Thomas Richter.