Hobbys von Mitarbeitern – Fallschirmspringen
Zierlich und zurückhaltend sitzt die neue Kollegin vor mir: Lena Sdralek scheint alles andere als draufgängerisch und doch springt sie regelmäßig in 4.500 Meter Höhe aus einem Flugzeug, getragen nur durch ein hauchfeines Stück Stoff.
„Fallschirmspringen ist ein wirklich sicherer Sport“
Doch, meinen Vorurteilen begegnet die Kollegen gleich selbstsicher: „Fallschirmspringen ist ein wirklich sicherer Sport. Es gibt zwei Fallschirme. Den Reservefallschirm packt ein zertifizierter Techniker, der auch das Gurtzeug einmal im Jahr überprüft. Und dann gibt es noch einen Automaten, den so genannten Cypres, der automatisch den Reservefallschirm auslöst, wenn eine bestimmte Höhe unterschritten wird. Dieses System hat noch nie versagt. Wenn es zu Unfällen kommt, in denen der Fallschirm nicht ausgelöst wurde, sind dies meist Suizide. Man kann den Cypres nämlich – allerdings sehr aufwändig – deaktivieren.“ So viel also zu meinen Vorurteilen.
Tandemsprung als Startpunkt
Aber wie kommt eine junge Frau zu einem solchen Hobby? Lena Sdralek kann sich gar nicht mehr erinnern, wann der Wunsch nach dem freien Fall bei ihr entstanden ist. Eigentlich wollte sie das „schon immer“. Vielleicht waren es die Achterbahnenfahrten, die sie so liebt, oder die Erzählungen von Freunden, die einen Tandemsprung gemacht hatten. Startpunkt für das Fallschirmspringen war dann auch ein Tandemsprung vor fünf Jahren. Bei diesem Sprung hat sie nicht nur einen neuen Sport sondern auch ihren heutigen Freund kennengelernt und ist bei beiden geblieben.
Umfangreiche Ausbildung
In 2015 konnte sie dann endlich die dreimonatige Ausbildung machen. „Dazu gehören zwei Tage Theorie und sieben begleitete Sprünge“, erzählt sie. Dabei wird der Novize von zwei Lehrern beim Sprung gehalten, die ggf. auch den Schirm auslösen und über Funk ansprechbar sind. Anschließend finden fünf Formationssprünge mit einem Coach statt, drei Sprünge aus geringer Höhe (1.500 Meter) und weitere zehn Sprünge aus einer Höhe von 4.500 Metern. Erst dann durfte sich die Kollegin zu den Fallschirmspringern zählen. Diese seien übrigens eine eingeschworene wenn auch ziemlich bunte Gemeinschaft. Man lebt an den Wochenenden am Sprungplatz in Soest in Wohnwagen, abends gäbe es Lagerfeuer und Musik. Dieses Drumherum sorge dafür, dass sie überzeugt ist: „Ich kann mir nicht vorstellen, mit dem Fallschirmspringen aufzuhören.“
Freefly mit Körpereinsatz
In der Zwischenzeit hat Lena Sdralek schon 400 Sprünge absolviert, alleine 200 in 2018. Die Saison ist von Ostern bis Halloween. Da sind schon mal acht Sprünge an einem Tag nötig, damit man auf diese Menge kommt. Sie selbst betreibt übrigens den Freefly, wo in allen Körperpositionen gesprungen wird. Diese Form ist von der Körperhaltung her anspruchsvoller als das so genannte RW-Fliegen, bei dem man den Flug quasi auf dem Bauch liegend absolviert. „Man braucht viel mehr Körperspannung und -kontrolle, weil selbst kleinste Bewegungen, die Position in der Luft massiv verändert. Mir hat mein früheres Balletttraining geholfen. Trotzdem benötigt man etwa 150 bis 200 Sprünge, bis man das z. B. im Sitzen machen kann“, erläutert sie die besonderen Herausforderungen. Und schnell ist es auch noch: Während man beim Bauchfall ca. 200 km/h drauf hat, sind es beim Fall mit dem Kopf voraus schon 300 km/h.
Alternativen im Winter
Und was macht Lena Sdralek im Winter? Sie trainiert z. B. in Bottrop. Dort gibt es einen Windkanal, wo sie die einzelnen Bewegungen gut trainieren kann. „Und einmal im Winter fahren wir zum Fallschirmspringen in den Urlaub. Über Weihnachten waren wir an der Algave. Dort kann man über dem Meer abspringen und hat dabei eine wunderbare Aussicht. Noch schöner ist es, wenn man in den Sonnenuntergang hinein springt. In diesen 70 Sekunden freier Fall ist man ganz auf sich konzentriert, das ist ein Gefühl totaler Freiheit und ohne Sorgen,“ schwärmt sie.
Erlebnisreich
Gefragt nach ihrem schönsten Erlebnis, berichtet Lena Sdralek von einem Formationssprung mit 15 Personen, die gemeinsam aus 5.000 Meter Höhe abgesprungen seien. Einige von ihnen hätten Rauchpatronen an den Beinen gehabt, so dass der Himmel ringsum voller Farben gewesen sei. Der lustigste Sprung, so schiebt sie hinterher, sei der 100ste gewesen. Dort sei es Tradition, dass möglichst viele Fallschirmspringer mitspringen und den Jubilar nach der Landung mit Torten bewerfen. Das nächste Mal sei dies beim 500sten Sprung zu erwarten.
Und was rät die Kollegin jemandem, der jetzt Blut geleckt hat: „Unbedingt ausprobieren! Ich kann den Sprungplatz in Soest nur empfehlen.“ Interessenten am Fallschirmspringen können sich per Mail an Lena Sdralek l.sdralek@stadtwerke-solingen.de oder direkt an www.skydive-soest.de wenden. Einen Fallschirmclub gibt es übrigens auch in Remscheid.
Autor: Kerstin Griese