IAA: Durchbruch für die E-Mobilität?
Meine Kollegin Kerstin interessiert sich ja schon länger für ein E-Auto. Jetzt hat sie sich die aktuellen Trends auf der IAA in Frankfurt angesehen. Hier ist ihr Bericht.
Auf der IAA wurden dieses Jahr mehr E-Autos denn je gezeigt. Andererseits protestierten vor den Hallen Umweltschützer gegen die spritschluckenden SUVs, die ebenfalls prominent präsentiert wurden. Ich frage mich: Wird die IAA 2019 zum Wendepunkt für den Verkehr?
VW will grün werden
VW präsentierte auf der IAA das erste Modell der neue ID.-Familie. ID.3 heißt das vollelektrische Modell für das VW schon im Vorfeld der IAA groß getrommelt hatte. Das Marketingversprechen: Als erstes Elektroauto des Konzerns wird der ID.3 über die gesamte Lebensdauer bilanziell CO2-neutral sein. Er soll komplett CO2-neutral in Deutschland produziert werden. Klar, nach dem Dieselskandal hat der Konzern was gut zu machen. Chefdesigner Klaus Bischoff sieht im ID.3 sogar eine „neue, elektrische Denkweise“ verkörpert. Wenn ich mir die Bilder so ansehe, sehe ich allerdings vor allem einen aufgemotzten Golf. Neben dem Display im Cockpit liefert ein bei Tesla abgeschautes Touch-Display in der Mitte des Armaturenbretts Informationen.
Die Batterien sind in den Fahrzeugboden integriert, was den Schwerpunkt nach unten verlegt und die Straßenlage positiv beeinflusst. Zu Beginn gibt es den VW ID.3 mit drei unterschiedlichen Batterien: Die Basisvariante verfügt über eine Batterie mit 45 kWh und eine Reichweite von bis zu 330 Kilometern (WLTP). Der Einstiegspreis dieser ID.3 Version liegt bei unter 30.000 Euro. Die nächstgrößere Version ist eine Batterie mit 58 kWh und einer Reichweite von 420 Kilometer (WLTP). Bei der größten Batterievariante bekommt man eine 77 kWh-Batterie und eine Reichweite von 550 Kilometern (WLTP). Dank der Schnellladefähigkeit (100 kW) ist der ID.3 nach 30 Minuten für weitere 290 Kilometer aufgeladen. Klingt alles nicht schlecht, aber aus persönlichen Gründen (Dieselskandal) ist der VW-Konzern für mich tabu.
Byton – neuer Player aus China
Die Firma Byton wurde erst 2017 in China gegründet und ist damit ein relativ neuer Hersteller auf dem Markt. Byton will elektrische und autonom fahrende Autos entwickeln. Auf der IAA präsentierte Byton den SUV M-Byte in einer seriennahen Version. Ab 2020 sollen Bestellungen in Europa möglich sein.
Der M-Byte kommt alternativ mit Hinterrad- oder Allradantrieb. Wobei die Variante mit Hinterradantrieb sowohl mit 72 kWh- als auch 95 kWh-Batterie zur Verfügung steht. Die Reichweite soll hier bei 360 Kilometer bzw. 460 Kilometer (beides WLTP) liegen. Der M-Byte mit Allradantrieb ist lediglich als Version mit 95 kWh Batterie lieferbar und soll 435 Kilometer (WLTP) schaffen.
Geladen werden kann der M-Byte über DC-Ladeanschluss (Gleichstromaufladung). Von 0 auf 80 Prozent benötigt er dann 35 Minuten.
Innovation suggeriert der M-Byte auch durch Kleinigkeiten: Zum Öffnen des Wagens kann das in die B-Säulen integrierte Kamerasystem genutzt werden. Seitenkameras ersetzen die üblichen Seitenspiegel. Der M-Byte protzt mit dem sicherlich größten Display aller E-Autos: 1,25 Meter breit und 25 Zentimeter hoch nimmt es die gesamte Breite des Armaturenbrettes ein. Der Kaufpreis soll bei ca. 45.000 Euro liegen. Für mich eindeutig zu viel.
Seat mit dem Mii electic
Ebenfalls aus dem VW-Konzern kommt der voll elektrische Mii electric, der sich die Technik mit dem Skoda Citigo e iV und dem VW e-Up teilt. Während der Mii electric zum Basis-Listenpreis von 20.650 Euro erhältlich ist, kostet der Škoda Citigo e iV 20.950 Euro. Für den VW e-Up werden sogar 21.975 Euro aufgerufen. Auch der Mii hat eine Leistung von 61 kW. Die Reichweite soll bei 260 Kilometer (WLTP) liegen. Maximal sind 130 km/h möglich.
60 Minuten soll es dauern, den Mii an einer 40 kW-Gleichstrom-Schnellladestation auf 80 Prozent aufzuladen. Der Stromverbrauch liege bei 12,9 kWh pro 100 km. Der Vorverkauf des Mii electric startet ab Mitte September. Allerdings ist für mich als Pendler, der jeden Tag 80 Kilometer fährt, die Reichweite nicht ausreichend.
Porsche Taycan – Hauptsache schnell!
Hohe Beschleunigung ist das Kennzeichen von E-Autos. Das wollte Porsche natürlich überbieten: Der Porsche Taycan soll 2,8 Sekunden von null auf 200 km/h brauchen. Er verfügt über mehr als 700 PS und kostet ab 150.000 Euro. Angeblich hat er eine Reichweite von 500 Kilometern. Auch beim Laden will er der schnellste sein: Hat man eine 800V DC-Ladestation gefunden, soll das Laden bis 80% weniger als 15 Minuten dauern.
Das Frontdesign ist gewöhnungsbedürftig: Irgendwie erinnern die Scheinwerfer an zwei tränende Augen. Ansonsten wird der Supersportler bestimmt seine Fans finden, allerdings nicht bei mir: Ich finde, E-Mobilität bedeutet auch Reduktion auf das Wesentliche.
Honda e für die Stadt
Durchweg sympathisch kommt der Honda e daher. Voraussichtlich ab Frühsommer 2020 soll er im Handel sein. Der kleine Japaner positioniert sich als Stadtauto und kommt mit 220 Kilometer Reichweite aus. Ob der Preis von 33.850 Euro (schwächere Variante mit 136 PS) bzw. 36.850 Euro (stärkere Variante mit 154 PS) dafür gerechtfertigt ist? Schließlich hat der VW-Konzern Fahrzeuge mit vergleichbaren Reichweiten für um die 20.000 Euro im Angebot. Als Ersatz hat Honda das Thema Display für sich entdeckt: Fünf davon hat das kleine E-Auto zu bieten. Die beiden äußeren ersetzen die Seitenspiegel. Das Display direkt vor dem Fahrer dient zur Anzeige der Instrumente. Zwei weitere befinden sich über dem Armaturenbrett. Positiv: Der Honda e ist von Anfang an als E-Fahrzeug konzipiert worden und verfügt daher über keinen Antriebsstrang, der den Fahrzeugboden teilen würde. An der Schnellladesäule soll der Speicher in 30 Minuten wieder mit 80 Prozent geladen sein.
Opel Corsa-e: Kompaktwagen mit guter Reichweite
Der Corsa-e ist die Elektrovariante des herkömmlichen Corsa, was dazu führt, dass die Vorteile des E-Autos, wie ein erhöhtes Raumangebot durch den Wegfall diverser Antriebselemente kaum genutzt werden können. Auch auf das fast schon obligatorische Riesendisplay wurde hier verzichtet.
Die Batterien sitzen unter den Vorder- und Rücksitzen. Positiv ist das Verhältnis aus Reichweite (330 Kilometer, WLTP) und Kosten (29.900 Euro). Positiv auch, dass es sich bei Corsa-e um einen Kompaktwagen handelt und nicht um einen SUV oder Sportwagen, der durch den E-Antrieb grün gewaschen werden soll. Damit ist der Corsa absolut alltagstauglich.
Der Corsa-e hat 135 PS und einen 50-Kilowatt-Akku, den man an einer 100 KW-Schnellladesäule in 30 Minuten auf 80% wieder aufladen kann. Der Corsa-e ist ab Frühjahr 2020 beim Händler erhältlich.
Aiways UR Ion: Noch ein E-SUV
Aiways ist ein 2017 in China gegründetes Start-up. Mit dem Aiways U5 Ion kommt 2020 ein weiterer E-SUV auf den deutschen Markt. Die Reichweite ist mit 460 Kilometer angegeben, was für die veranschlagten 35.000 Euro ein passabler Wert ist. Wem diese Reichweite – z. B. auf einer Reise – nicht ausreicht, der kann ein zusätzliches 20 kWh Batterie-Paket hinzumieten, das einen 100 Kilometer weiterbringt. Die Idee ist, diese Pakete über Tankstellen zu vermieten, bzw. dort umzutauschen. Sollte das umgesetzt werden, sicherlich eine extrem clevere Lösung. Laden kann der Aiways US Ion an der Schnellladesäule in 40 Minuten bis zu 80 Prozent.
Punkten kann der Chinese mit einer neuen biometrischen Technologie: So lassen sich Türen per Gesichts- oder Handerkennung öffnen. Zahlreiche Kameras sorgen für eine lückenfreie 360 Grad-Rundumsicht. Er verfügt über gegenläufig zu öffnende Fond-Türen, was mir schon bei BMW I3 gut gefallen hat. Übrigens: Nach Deutschland gelangen die Fahrzeuge per Bahn – das ist nicht nur günstiger als der Transport mit dem Schiff, sondern geht auch noch schneller.
Mini Cooper SE mit Elektromotor
Den Antrieb hat man vom BMW I3 übernommen, das Design ist typisch Mini. Ab Frühjahr 2020 sollen die ersten Exemplare des Mini Cooper SE zum Kunden rollen.
Der elektrische Mini lässt sich mit bis zu 50 kW laden und benötigt dann 35 Minuten um auf 80 Prozent zu kommen. Die Reichweite wird mit 242 bis 270 Kilometern (NEFZ) angegeben. Das ist im Vergleich zu anderen Fahrzeugen dieser Preisklasse (Grundpreis: ca. 32.500 Euro) etwas wenig.
Der Mini Cooper SE soll in 7,3 Sekunden auf Tempo 100 spurten und ist bei 150 km/h abgeregelt. In puncto Raumangebot fordert das Batteriepaket von den Passagieren keinen Tribut, und auch das Kofferraumvolumen entspricht mit 211 bis 731 Litern exakt dem der anderen Mini-Zweitürer.
Das Display sitzt in einer Art Bullauge in der Mitte des Armaturenbretts, was zur restlichen Ausstattung passt und sicherlich ein optisches Alleinstellungsmerkmal ist. Wem es gefällt!?!
Mein Fazit zur IAA
Aus dem VW-Konzern kommen endlich Autos, deren Preis-Reichweiten-Relation akzeptabel sind. Ich hoffe, dass das auch bei den anderen Herstellern eine Senkung des Preises mit entsprechender Steigerung der Reichweite nach sich zieht. Meinem Wunsch nach einem kleinen E-Auto mit einer Reichweite über 300 Kilometer und einem Grundpreis von 20.000 Euro kommen wir damit langsam näher. Ich hoffe, dass es in zwei oder drei Jahren so weit ist und ich meinen Diesel so lange noch fahren darf.
Eure Kerstin