Defektes Zahnrad

Reparieren statt wegwerfen: Was tun bei vorzei­tigem Produktverschleiß?

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Konstru­ieren Hersteller ihre Produkte bewusst so, dass sie vorzeitig kaputt­gehen, um die Nachfrage nach neuen Geräten anzukurbeln? Ob es die sog. geplante Obsoleszenz wirklich gibt und warum es sich lohnt, defekte Dinge zu reparieren, lest ihr hier.

Einge­bautes Ablauf­datum: Wahrheit oder Gerücht?

„Da kann man nichts mehr machen, das lohnt sich nicht.“ Der Mitar­beiter des Kunden­dienstes zuckte bedauernd mit den Schultern. Der Schaden an meiner erst vier Jahre alten Wasch­ma­schine, die letzte Woche plötzlich ihren Dienst verweigert hatte, war offenbar schwer­wiegend und für den Preis einer Reparatur hätte man schon fast eine neue Maschine bekommen. Leider war – natürlich rein zufällig – die Garan­tiezeit gerade abgelaufen. Kennt ihr so etwas auch? Ich jeden­falls habe solche Fälle schon viel zu oft erlebt und mich so manches Mal gefragt, ob nicht Absicht dahin­ter­steckt. Offenbar bin ich mit diesem Gedanken nicht alleine: Für ein eigentlich viel zu frühes und von den Herstellern bewusst geplantes Produkt­ver­sagen gibt es sogar einen offizi­ellen Begriff, die geplante Obsoleszenz. Doch steckt hinter bestimmten Geräte­fehlern tatsächlich Absicht? Und was können wir Verbrau­che­rinnen und Verbraucher tun, wenn Produkte schon nach kurzer Zeit „den Geist aufgeben“? Das habe ich Phillip Heldt, Referent für Ressour­cen­schutz und Wasser der Verbrau­cher­zen­trale NRW, gefragt.

Hugo: Hr. Heldt, planen Hersteller tatsächlich im Voraus, wann ihre Produkte in der Regel endgültig aufgeben oder kaputt­gehen?
Heldt: Ein klares Ja. Aller­dings nicht in böser Absicht, wie häufig unter­stellt wird. Sogenannte geplante Obsoleszenz, die bewirkt, dass ein Produkt extra vor Ablauf der üblichen Lebens­dauer veraltet oder funkti­ons­un­fähig und damit zu Abfall wird, konnte bis heute nicht nachge­wiesen werden. Es scheint vielmehr so zu sein, dass die Lebens­dauer von Geräten und Produkten von unter­schied­lichen Faktoren bestimmt wird: Belastung, Einsatz­be­reich, Wartung oder auch modische Trends. So ändert sich zum Beispiel die Technik im Bereich von TV-Geräten so schnell, dass es aus Herstel­ler­sicht völlig unsinnig wäre, Geräte mit einer Haltbarkeit von 25 Jahren zu produ­zieren. Heute tauschen die meisten Verbrau­che­rinnen und Verbraucher ihren Fernseher doch innerhalb nur weniger Jahre aus, um die neueste Technik nutzen zu können. Und das gilt auch für andere Geräte. Unter­su­chungen zufolge sind 70 % Prozent aller E-Geräte, die zur Entsorgung an Wertstoff­höfen abgegeben wurden, noch funktionsfähig.

Hugo: Das ist ja wirklich eine Menge. Aber was ist zum Beispiel mit Wasch­ma­schinen oder Druckern? Hier bleiben die wichtigsten Funktionen doch im Wesent­lichen gleich und es gibt keine Notwen­digkeit zum vorzei­tigen Austausch.
Heldt: Das ist richtig. Bei diesen Geräten sollte aus meiner Sicht dringend die Haltbarkeit verbessert werden – durch insgesamt hochwer­tigere Produkt­qua­lität und durch mehr Möglich­keiten zur Reparatur.

Hugo: Die bessere Reparier­barkeit von Elektro­ge­räten ist ja auch Gegen­stand der neuen EU-Ökodesign-Richt­linie, die am 1. März dieses Jahres in Kraft getreten ist. Kann diese neue Gesetz­gebung aus Ihrer Sicht denn helfen, dass wir Verbrau­che­rinnen und Verbraucher in Zukunft bessere, langle­bigere Produkte kaufen können?
Heldt: Mit der neuen Ökodesign-Richt­linie werden vor allem Hersteller von Elektro­ge­räten stärker in die Pflicht genommen. Sie schreibt unter anderem vor, dass Ersatz­teile sieben Jahre lang verfügbar sein müssen, nachdem das letzte Modell auf den Markt gekommen ist. Außerdem müssen Hersteller Repara­tur­an­lei­tungen online für Kunden zur Verfügung stellen. Kritiker bemängeln aller­dings, dass diese Vorschriften nur für bestimmte Geräte gelten, und auch nur für solche, die seit dem 1. März auf den Markt gekommen sind. Dazu kommt, dass die Hersteller Ersatz­teile lediglich an Händler verkaufen müssen, so dass Endkunden nur über diese an benötigte Ersatz­teile gelangen können. Ich teile diese Kritik, auch wenn ich die neue Ökodesign-Richt­linie grund­sätzlich für eine gute Sache halte. Doch es ist schwierig, dass solche EU-Richt­linien immer nur für einzelne Produkt­ka­te­gorien gelten. Ich meine auch, dass es ein generelles Recht auf Reparier­barkeit geben sollte. Das enthält die neue Ökodesign-Richt­linie aber nicht und hier mauern auch die Geräte- und Produkthersteller.

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Hugo: Wie kann eine längere Lebens­dauer von Produkten Ihrer Meinung nach noch erreicht werden? Welche Anstren­gungen werden aktuell zu diesem Thema unter­nommen, wer arbeitet oder forscht daran?
Heldt: Das Umwelt­bun­desamt hat 2016 im Rahmen einer breit angelegten Studie unter­suchen lassen, ob es geplante Obsoleszenz tatsächlich gibt. In dieser Studie konnte aller­dings nicht nachge­wiesen werden, dass es eine gezielt kurze Produkt­le­bens­dauer durch einge­baute Mängel gibt. Auch wenn man in den Medien seitdem kaum noch etwas zum Thema Obsoleszenz findet, so wird auf diesem Gebiet doch intensiv weiter geforscht und gearbeitet. Es gibt unter anderem den „Runden Tisch Reparatur“. Er vereint Partner-Organi­sa­tionen aus den Bereichen Handwerk, Umwelt- und Verbrau­cher­schutz – darunter die Verbrau­cher­zen­tralen und den Verband kommu­naler Unter­nehmen (VKU) – sowie aus der Wissen­schaft und Beratung. Ziel des Runden Tisches ist es, die Senkung des Ressour­cen­ver­brauchs zu erreichen und die lokale Wirtschaft zu fördern. Auch die Forschungs­gruppe Obsoleszenz, die vom Bundes­mi­nis­terium für Bildung und Forschung gefördert wird und an der unter anderem das Fraun­hofer-Institut für Zuver­läs­sigkeit und Mikro­in­te­gration (IZM) und die TU Berlin beteiligt sind, befasst sich mit diesen Themen.

Hugo: Was sind denn aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erkennt­nisse aus dieser Arbeit, an der die Verbrau­cher­zen­trale ja aktiv beteiligt ist?
Heldt: Die meisten Verbrau­che­rinnen und Verbraucher denken bei zu kurzer Produkt­le­bens­dauer und frühzei­tigem Verschleiß oder Mängeln nur an Elektro­geräte. Doch dieses Problem betrifft auch Möbel, Textilien oder Schuhe. Aller­dings sollte man nicht nur mit dem Finger auf die Hersteller zeigen, sondern sich auch der eigenen Verant­wortung als Käufer oder Käuferin bewusst werden. Wir Konsu­menten sind nicht machtlos. Wir können bewusster einkaufen, typische Fallen umgehen. Gute Qualität zu erkennen, ist aller­dings gar nicht so einfach: Denn teure Produkte, die man sich natürlich auch erst einmal leisten können muss, sind nicht immer zwangs­läufig quali­tativ besser als billigere. Leider werben nur wenige Hersteller mit langer Lebens­dauer und dafür gibt es auch kein Gütesiegel. Wenn Verbrau­che­rinnen und Verbraucher gute Qualität erkennen wollen, sollten sie sich deshalb vor dem Kauf unbedingt genau infor­mieren. Dazu kann man zum Beispiel Online-Rezen­sionen und Testbe­richte lesen und im Freundes- und Bekann­ten­kreis herum­fragen. Eine möglichst lange Herstel­ler­ga­rantie ist außerdem sehr wichtig.

Hugo: Und was mache ich, wenn mein Gerät oder Produkt aller Vorab-Infor­mation zum Trotz vorzeitig kaputt gegangen oder nach Garan­tie­ablauf nicht mehr nutzbar ist?
Heldt: Trauen Sie sich, selbst eine Reparatur durch­zu­führen. Es gibt erstaunlich viele gute Reparatur-Anlei­tungen im Internet, die auch Laien Schritt für Schritt durch Repara­tur­pro­zesse führen. Häufig haben Geräte Standard-Fehler, die immer wieder vorkommen. Dafür finden sich sowieso fast immer Online-Tutorials. Wer partout nicht selbst Hand anlegen möchte, der findet in Repair Cafés oft sachkundige Hilfe.

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