Seat Mii Labor Uni Wuppertal

Spannende Sache: Seat Mii im Labor

Unser Autor:

(Schnell)-Ladesäulen, die am Solinger Oberlei­tungsnetz hängen? Die Idee ist so genial, dass sie umgehend getestet wurde.

Christian von Kalben (Netze Solingen) betreut das Pilot­projekt zusammen mit Adrian Dogge und Jens-Olaf Schumacher, beide vom Verkehrs­be­trieb der Stadt­werke Solingen und Tobias Schneider, von der Bergi­schen Univer­sität Wuppertal. Ich hatte Gelegenheit, mit ihm zu sprechen.

Christian Olbrisch: Wenn wir auf unser Titelbild schauen: Was macht ein E-Auto, ein Seat Mii, der Stadt­werke Solingen im Unilabor?
Christian von Kalben: Ein Arbeits­paket des laufenden BOB-Projekts beschäftigt sich mit der Frage, ob womöglich (Schnell)-Ladesäulen an das Solinger Oberlei­tungsnetz angebunden werden können. Das macht deswegen Sinn, weil E-Fahrzeug­bat­terien über Gleich­strom (DC) geladen werden und das Oberlei­tungsnetz ja eine Gleich­spannung von ca. 600 Volt aufweist. Die Bergische Univer­sität Wuppertal, die zu den Partnern des BOB-Verbund­pro­jekts gehört, hat deshalb ein Testlabor einge­richtet. Tobias Schneider vom Lehrstuhl für elektrische Maschinen und Antriebe hat dann mit seinem Team Testreihen an E-Fahrzeugen der Stadt­werke Solingen durchgeführt.

Christian Olbrisch: Was genau wurde unter­sucht und was kam dabei heraus?
Christian von Kalben: Grund­sätzlich geht es darum, wie Ladesäulen an das Oberlei­tungsnetz angeschlossen werden können und welche Ladetech­no­logie sich am einfachsten anbinden lässt. Für eine erste Testreihe haben die Netze Solingen einen Nissan Leaf mit CHAdeMO-Stecker bereit­ge­stellt. Der CHAdeMO-Kommu­ni­ka­ti­ons­stan­dards ist bei den asiati­schen Herstellern gängig. Dieser Test verlief erfolg­reich. Die Software und die dazuge­hö­rigen Hardware-Kompo­nenten funktio­nieren einwandfrei mit Gleichstrom.

Christian Olbrisch: Und warum steht jetzt noch ein Seat Mii auf dem Prüfstand?
Christian von Kalben: Weil dieses Modell mit CCS-Stecker Typ-2 lädt. Das ist der Kommu­ni­ka­ti­ons­standard, den die europäi­schen Hersteller verwenden und der neben der Wechsel­strom­ladung, auch eine Gleich­strom­ladung ermög­licht. Bislang ist noch nicht klar, welcher Steckertyp sich am Markt behaupten wird oder ob künftig beides Standard wird. Durch die Tests sind wir auf alles vorbereitet.

Christian Olbrisch: Für die Technik-Fans unter uns: Wo liegen die Heraus­for­de­rungen bei diesem Pilot­projekt?
Christian von Kalben: Eine herkömm­liche Ladesäule benötigt eingangs­seitig eine 400-Volt-Netzspannung. Diese wird entweder direkt an das Fahrzeug übertragen oder in der Säule in Gleich­spannung umgewandelt. Theore­tisch sparen wir uns bei der Oberleitung einen Umwand­lungs­schritt. Denn das Netz verfügt ja bereits über eine Gleich­spannung von etwa 600 Volt, die direkt zum Laden der Fahrzeug­bat­terien genutzt werden könnte. In der Praxis braucht man aber ein DC/DC-Wandler mit integrierter Ladeelek­tronik. Den gibt es am Markt so noch nicht. Die Bergische Univer­sität hat im Test eine Lösung gefunden, die den Weg frei machen könnte. Natürlich unter der Voraus­setzung, dass das Ganze auch in der Praxis technisch machbar und wirtschaftlich ist.

Christian Olbrisch: Und was sind die Vorteile, wenn es klappt?
Christian von Kalben: Die neuen Ladesäulen könnten ungefähr doppelt so schnell laden wie die herkömm­lichen Ladesäulen. Außerdem wäre der Verka­be­lungs­aufwand ziemlich niedrig, da die Oberlei­tungs­masten schon überall in Solingen stehen. Aber wie gesagt: Alles unter dem Vorbehalt der techni­schen Machbarkeit und Wirtschaft­lichkeit. Bisher wurde das ja nur im Labor getestet.

Christian Olbrisch: Die Idee ist auf jeden Fall genial. Warum sind wir darauf nicht schon früher gekommen?
Christian von Kalben: Weil der Bedarf früher noch nicht da war. Aber mittler­weile ist Elektro­mo­bi­lität ein Mega-Trend. Deshalb haben die Stadt­werke Solingen, die Netze Solingen und der Verkehrs­be­trieb gemeinsam mit der Stadt Solingen und vielen anderen wichtigen regio­nalen Partnern 2016 das BOB-Projekt ins Leben gerufen. Das Ziel ist, den öffent­lichen Nahverkehr langfristig zu elektri­fi­zieren und emissi­onsfrei zu gestalten – weg vom Diesel­ag­gregat hin zum klima­scho­nenden Batte­rie­be­trieb. In dem Projekt suchen wir ständig nach neuen Wegen für noch mehr E-Mobilität für Solingen.

Christian Olbrisch: Gehört Solingen zu den Pionieren auf dem Gebiet?
Christian von Kalben: Definitiv. Das gesamte BOB-Projekt ist ziemlich einmalig, wir haben damit 2016 Neuland betreten und es wird ja auch vom Bundes­mi­nis­terium für Verkehr und digitale Infra­struktur gefördert. Ein Ziel ist, ein Handbuch für andere Städte und Kommunen zu entwi­ckeln, das Hilfe­stellung bei der Elektri­fi­zierung des Nahver­kehrs gibt. Das Thema (Schnell)-Ladesäulen ist in diesem Zusam­menhang noch Zukunfts­musik, wir sind aber zuver­sichtlich, dass da viel Potenzial drinsteckt.

Christian Olbrisch: Wie geht es weiter?
Christian von Kalben: Im Sommer instal­liert und testet der Verkehrs­be­trieb einen Proto­typen der (Schnell)-Ladesäule auf dem Besucher­park­platz des Verkehrs­be­triebs. Parallel ist geplant eine PV-Anlage von unserem Gebäude an die Oberleitung anzuschließen, um Solar­strom direkt ins Oberlei­tungsnetz einzuspeisen.

Christian Olbrisch: Wir sind gespannt!

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