Spitzenlastglättung – Strom drosseln für neue Wärmepumpen und E-Autos: Was die gesetzlichen Pläne für abschaltbare Verbrauchseinrichtungen bedeuten
Die Anzahl von Wärmepumpen und E-Autos in Deutschland steigt – eine Herausforderung für die Stromnetze. Deshalb plant die Bundesnetzagentur, dass die Leistung von Stromverbrauchern wie etwa Wärmepumpen, Ladestationen etc. zeitweise reduziert werden darf. Die sogenannte „Spitzenlastglättung“.
Stromnetz soll stabil bleiben – dank „Spitzenlastglättung“
Was für den Klimaschutz gut ist, bringt die Stromnetze in Deutschland womöglich eines Tages an ihre Grenzen. Denn Verbraucher wie Ladestationen für Elektroautos, Wärmepumpen, Batteriespeicher und Kühlanlagen benötigen für ihren Betrieb eine Menge Strom. Und je mehr solcher Stromverbraucher gleichzeitig zum Einsatz kommen, desto herausfordernder wird die Situation für die Strom-Verteilnetze vor Ort.
Um auch in Zukunft die Versorgungssicherheit hierzulande flächendeckend zu gewährleisten und Stromausfälle möglichst vermeiden zu können, hat die Bundesnetzagentur entsprechende Pläne entwickelt: In einem Eckpunktepapier heißt es, dass Netzbetreiber wie die Netze Solingen ab 2024 den Stromverbrauch abschaltbarer Verbraucher – dazu zählen Wärmepumpen mit einer Leistung von über 3,7 kW, Kühlanlagen, Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Batteriespeicher – gezielt aus der Ferne drosseln dürfen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die akute Gefahr einer Netzüberlastung droht. „Spitzenlastglättung“ heißt das im Fachjargon.
Eigentlich sollte diese Stromfluss-Regelung aus der Ferne schon 2021 im Rahmen einer Gesetzesnovelle von § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) eingeführt werden. Wie mein Kollege Christian Olbrisch euch damals zum Thema „Abschaltbare Lasten“ berichtet hat, wurde das von Ex-Bundeswirtschaftsminister Altmaier geplante Gesetz schließlich auf Drängen der Autoindustrie gestoppt. Es sah im Vergleich zum aktuellen Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur allerdings deutlich weitreichendere Befugnisse für Netzbetreiber vor, um den Stromfluss bei abschaltbaren Verbrauchern im Bedarfsfall regeln zu können. Worin sich die neuen von den alten Plänen der Bundesregierung unterscheiden, welche Wärmepumpen überhaupt von der neuen Regelung betroffen wären und warum die Spitzenlastglättung für Wärmepumpen-Besitzer keinen Komfortverlust darstellt, hat mir Hans-Jürgen Haas von den Netzen Solingen erklärt.
Interview mit Hans-Jürgen Haas, Netze Solingen, zum Thema Spitzenlastglättung
Griese: Hr. Haas, als Hauptabteilungsleiter Netzmanagement kennen Sie sich mit dem Thema Spitzenlastglättung bestens aus. Die Bundesregierung unternimmt mit den jüngsten Plänen der Bundesnetzagentur jetzt einen zweiten Versuch, Netzbetreibern wie den Netzen Solingen ein gesetzlich verankertes Recht zu geben, die Leistung von Wärmepumpen und anderen abschaltbaren Stromverbrauchern zumindest zeitweise zu drosseln. Warum ist das überhaupt so wichtig für das Strom-Verteilnetz?
Haas: Die Elektrifizierung des Autoverkehrs und der Wärmeversorgung, z. B. durch Wärmepumpen-Heizungen, ist ein sehr wichtiger Eckpfeiler der Energiewende. Doch es geht hier nicht um den größeren Strombedarf, die größere Strommenge, die sich aus der wachsenden Zahl von Wärmepumpen, Ladestationen usw. ergibt, sondern um die sogenannte Gleichzeitigkeit, die höchste Leistung, die gleichzeitig von fast allen Stromverbrauchern benötigt wird. Dieser Zeitraum liegt in der Regel zwischen 18 und 22 Uhr abends. Dann wird das Netz maximal strapaziert. Dagegen wird nachts kaum Strom verbraucht. Diese Schwankungen im Verbrauch wirken sich natürlich auch auf die Auslastung und Belastung unserer Niederspannungs-Netze aus.
Griese: Und wenn z. B. stromintensive Wärmepumpen zeitweise durch Netzbetreiber so reguliert würden, dass sie in diesen Spitzenzeiten weniger Strom verbrauchen, würde das die Lage im Stromnetz entspannen?
Haas: Ja, sicher. Natürlich würde man die Leistung solcher abschaltbaren Verbraucher nur dann begrenzen, wenn eine reale Überlastungsgefahr für das eigene Stromnetz drohen würde. Und auch dann nur sehr kurz: Wir sprechen hier von Zeiteinheiten, die ca. 15 Minuten umfassen. Doch eine solche kurze Reduzierung des Stromverbrauchs würde schon bewirken, dass nicht alle Leitungen und Kabel immer auf das Maximum ausgelegt werden müssten. Wir von den Netzen Solingen nehmen die Anpassung des Stromnetzes auf den aktuellen und zukünftigen Bedarf kontinuierlich vor. Doch der Netzausbau könnte noch besser und für alle kostengünstiger geplant werden, wenn der Stromverbrauch in Spitzenzeiten angepasst werden würde. Wir nennen das netzdienliches Lastmanagement. Verbraucher, deren Wärmepumpe oder Wallbox zeitweise mit etwas weniger Strom auskommen müsste, sollen nach den Plänen der Bundesnetzagentur im Gegenzug mit reduzierten Netznutzungsentgelten belohnt werden.
Griese: Nach dem Willen der Bundesnetzagentur betrifft die sog. Spitzenlastglättung nur Stromabnehmer, die sehr träge sind, d. h. bei denen man als Verbraucher kaum merken würde, ob sie mit vermindertem Stromverbrauch arbeiten, oder?
Haas: Genau das ist der Punkt. Die Last-Reduzierung wäre gut für das Stromnetz, würde aber sozusagen keinen Komfort-Verlust für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeuten. Wenn die Leistung einer Wärmepumpen-Heizung mal für 15 Minuten reguliert wird, kühlt deshalb nicht die Wohnung aus. Genauso würde sich die Ladezeit eines E-Autos an einer Garagen-Wallbox nach einer kurzzeitigen Strombegrenzung nur marginal verzögern. Und ganz wichtig: Es würde niemand ganz abgeschaltet. Nach den gesetzlichen Plänen soll immer ein Strombezug von mind. 3,7 kW gewährleistet werden. Darin liegt auch der große Unterschied zur ursprünglich von Hr. Altmaier geplanten Gesetzesnovelle. Die sah noch vor, dass Netzbetreiber bei Bedarf in viel größerem Umfang Stromabnehmer herunterregeln sollten.
Griese: Wenn ich richtig gelesen habe, betrifft die zeitweise Drosselung des Strombezugs gar nicht alle Wärmepumpenheizungen, sondern nur ganz bestimmte.
Haas: Wärmepumpen, die an das Niederspannungsnetz angeschlossen sind, einen maximalen Leistungsbezug von mehr als 3,7 kW haben und ab dem 1.1.2024 in Betrieb gehen, dürfen im Rahmen der Spitzenglättung bei Überlastungsgefahr mit vermindertem Strombezug laufen. Für alle anderen bleiben die bisherigen Regelungen bis 2028 weiter bestehen. Dazu muss man wissen, dass nur die wenigsten Wärmepumpen für Privathaushalte überhaupt in die Nähe eines Strombedarfs von 3,7 kW kommen. Die meisten liegen darunter. Und wenn man sieht, dass in Solingen derzeit etwa 1.150 Wärmepumpen im Einsatz sind, demgegenüber aber rund 37.000 Gasheizungen ihren Dienst verrichten, dann stellt die geforderte Fernabschaltbarkeit derzeit und auch in absehbarer Zukunft überhaupt kein Problem dar.
Griese: Können denn alle Wärmepumpen, Ladestationen etc., die vom neuen Gesetz betroffen wären, auch technisch gesehen von Ihnen als Netzbetreiber aus der Ferne geregelt werden?
Haas: Damit der Stromverbrauch von z. B. einer abschaltbaren Wärmepumpe in Zukunft von uns reduziert werden könnte wie es die neuen Pläne verlangen, muss die Wärmepumpe über ein intelligentes Messsystem verfügen. Das besteht aus einem separaten, digitalen Stromzähler und einem Smart Meter Gateway, das die Datenübertragung ermöglicht. So könnte die Wärmepumpe zwar zeitweise mit weniger Strom arbeiten, aber die ganz normale Haushaltsversorgung bliebe unverändert bestehen.
Griese: Solche intelligenten Messsysteme müssten aber erst nach und nach in den betroffenen Haushalten installiert werden, richtig?
Haas: Genau, derzeit besteht nur für wenige Verbraucher die Pflicht, ein intelligentes Messsystem haben zu müssen. Und aktuell gibt es in Solingen noch keine fernregulierbaren Wärmepumpenheizungen, weil sie im Solinger Stromnetz bisher kein Problem dargestellt haben. Zum Glück ist das Stromnetz hier in der Klingenstadt sehr robust und wurde immer auf aktuellem Stand gehalten. Doch natürlich beschäftigen wir uns schon lange intensiv mit der Anpassung und Vorbereitung unseres Netzes auf die Anforderungen der Zukunft, so dass wir flexibel reagieren können.
Griese: Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Autor: Kerstin Griese