Talsperrenmauer: Erinnerungen aus 1993
So wie auf unserem Titelbild sehen Spaziergänger die Talsperrenmauer in Glüder. Der Solinger Hans-Peter Eckenbach hatte im März 1993 das Glück, die Staumauer von innen zu sehen. Und er hat heute noch Fotos von diesem Tag …
Mit beiden Beinen auf der Erde bleiben
Hans-Peter Eckenbach hat 30 Jahre bei der Firma Kissel-Rapid auf der Felder Straße gearbeitet. Das im Jahr 1925 gegründete Traditionsunternehmen war einmal die größte Baufirma in Solingen, tätig im Wohnungs- und Industriebau. Er war dort als Baumaschinen-Meister angestellt. Ursprünglich gelernter Stahlbauer, hatte er nach der Bundeswehr verschiedene Fortbildungen als Kranmonteur gemacht. Zu seinen Aufgaben gehörte die Montage, Wartung und Reparatur von Baukränen und die Einrichtung von Baustellen.
Dort musste er im Vorfeld dafür sorgen, dass Strom auf der Baustelle war, ein Wasserstandrohr installiert wurde, bekannt war, wo die Kabel in der Erde verlaufen und entsprechende Pläne vorlegen. Und gerade in den letztgenannten Aufgaben gab es viele und enge Kontakte zu den Stadtwerken Solingen. Hans-Peter Eckenbach: „Ich hatte mir in den Jahren ein gutes Netzwerk aufgebaut. Ich habe mit anderen Unternehmen – wie den Stadtwerken – vertrauensvoll zusammengearbeitet. Die wussten einfach, dass man sich auf meine Arbeit verlassen konnte. Und außerdem bin ich immer mit beiden Beinen auf der Erde geblieben.“
Große Baumaßnahme an der Talsperrenmauer
Im März 1993 war seine Firma an der Talsperrenmauer in Glüder tätig. Roland Sorgenicht, der heutige Talsperrenmeister erinnert sich: „Das war eine wirklich große Baumaßnahme: Der Überlauf wurde erweitert, so dass er ein Jahrhunderthochwasser überstehen sollte. (Wie es dann in diesem Jahr auch gekommen ist.) Wir haben in der Talsperrenmauer einen Durchbruch zwischen den beiden vorhanden Stollen geschaffen, so dass heute ein langer Stollen die beiden Ausgänge am Fuß der Talsperre verbindet, und wir haben auf dem Mauervorplatz die Entnahmeleitung aus beiden Stollen erneuert.“ Hans-Peter Eckenbach war während der eigentlichen Bauarbeiten im Büro seiner Werkhalle. Er hätte die Talsperrenmauer auch wohl gar nicht zu Gesicht bekommen, hätte es nicht einen Einbruch in einem der Bauwägen von Kissel-Rapid gegeben. Hans-Peter Eckenbach: „Ich musste dann den Schaden aufnehmen und den Bauwagen absichern. Deshalb war ich vor Ort.“
Spannender Einblick in die Staumauer
Und was er da gesehen hat, hat ihn nachhaltig beeindruckt: „Ich war schon immer an allem technischen interessiert. Aber so große Rohre hatte ich noch nie gesehen. Das wollte ich mir aus der Nähe anschauen. Und da ich wegen des Diebstahls meine Kamera dabeihatte, habe ich gleich alles fotografiert.“ Roland Sorgenicht kann die Bilder zuordnen: „Auf diesem Foto ist die Entnahmeleitung im linken Stollen zu sehen. Der eckige Kasten in der Mitte ist ein Sieb. Das müssen wir alle zwei Jahre reinigen. Ohne Flaschenzug geht bei dem Gewicht gar nichts.“
Das nächste Bild zeigt den Überlauf, der damals erweitert wurde. Die beiden schwarzen Rohre dienen der Entlüftung. Oberhalb davon, aber im Bild nicht zu erkennen, ist das Ringkolbenventil, mit dem man einen Notablass einleiten kann.
Dieses Foto, erzählt Roland Sorgenicht, zeige den Stollen im Fuß der Staumauer. Der Durchbruch sei bereits durchgeführt, so dass man den ganzen Stollen entlang sehen könne.
Das nächste Objekt hat es dem technisch versierten Hans-Peter Eckenbach sicherlich besonders angetan. Roland Sorgenicht: „Man sieht die Rohrbruchsicherung, die das gesamte Wassergewinnungssystem in Glüder absichert. Die Sicherung ist hydraulisch nicht elektrisch ausgelegt. Sie überwacht die Fließgeschwindigkeit des Wassers in der Entnahmeleitung. Wenn sich die Fließgeschwindigkeit außerhalb der Toleranzgrenzen bewegt, wird hydraulisch eine Klappe ausgelöst, die das Wasser abschiebert. So funktioniert diese Sicherung auch dann, wenn der Strom ausfallen sollte.“
Das allerletzte Foto zeigt zwei Kollegen von Hans-Peter Eckenbach. Sie stehen in einer Baugrube am Fuß der Talsperrenmauer vor dem linken Eingang zum Stollen. In der Baugrube erkennt man ganz links die große Entnahmeleitung. Zwischen den beiden Herren liegt der Grundablass, der für die Entleerung des linken Turms zuständig ist.
„Langeweile hatte ich nie!“
1999 ist Hans-Peter Eckenbach aus gesundheitlichen Gründen dann aus dem Unternehmen Kissel-Rapid ausgeschieden. Das Unternehmen wurde im Frühjahr 2014 nach einer Insolvenz abgewickelt. Während seiner langen Berufstätigkeit hat Hans-Peter Eckenbach erlebt wie aus Pagern Handys wurden, aus Fernschreibern Faxe. Er hat erlebt, wie Termine immer kurzfristiger gesetzt wurden und der Leistungsdruck zunahm. Und er sah, wie seine Kräne immer mehr Elektronik beinhalteten. Trotzdem sagt er: „Ich war immer mit meiner Arbeit zufrieden. Ich hatte große Verantwortung, auch für Leib und Leben meiner Kollegen, und bin stolz darauf, dass keiner unter meiner Führung zu Schaden gekommen ist. Wenn es irgendwo ‚gebrannt‘ hat, dann wurde ich gerufen. Langeweile hatte ich nie!“
Übrigens: Vor 40 Jahren wurden die Gebäude der Stadtwerke Solingen an der Beethovenstraße gebaut, später dann der Bauteil B um eine Etage aufgestockt. Auch hier war Hans-Peter Eckenbach beteiligt. Bilder hat er aber keine gemacht.
Autor: Kerstin Griese
Wassergewinnung
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