Ultrafiltration – Wasseraufbereitung 2.0 (Teil 2)
Schon im Dezember haben wir von unserer Ultrafiltrationspilotanlage in Glüder berichtet. Dort werden Membrane testweise zur Wasseraufbereitung eingesetzt. Zeit, einmal einen Blick auf den aktuellen Stand zu werfen.
Interview
Gesprochen haben wir mit Dr. Pia Lipp, Technologiezentrum Wasser (TZW), Abteilung Technologie & Wirtschaftlichkeit in Karlsruhe und Andreas Mokros, Wasserwerksmeister der Stadtwerke Solingen in Glüder. Das TZW entwickelt wissenschaftlich fundierte Lösungen für alle Bereiche der Wasserversorgung. Es ist als eine Einrichtung des DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.) gemeinnützig und unabhängig. Das TZW hat umfassende Erfahrungen in Test- und Prüfverfahren sowie in der Erstellung von Regelwerken für die Ultrafiltration. Das Interview führte unsere Praktikantin Virginia Wettekamp:
Virginia Wettekamp: Herr Mokros, können Sie einen ersten Zwischenstand zum Test der Ultrafiltrations-Anlage geben? Wie sind Ihre Erfahrungen bisher?
Andreas Mokros: Um die optimale Platzierung einer Ultrafiltrationsanlage im Aufbereitungsprozess des Wasserwerks Glüder zu ermitteln, haben wir den Test in drei Abschnitte unterteilt. Zunächst haben die Kollegen die Pilotanlage mit dem Filtrat hinter der Vorfiltration getestet. Hier haben wir Leistungstests (unterschiedliche Durchflussmengen, Häufigkeit und Anzahl der Spülungen) durchgeführt und unterschiedliche Betriebsweisen der Membrananlage getestet, um Grenzen und wichtige Grundlagen, wie Spülintervalle und den Bedarf an Aufbereitungsstoffen zu ermitteln. Eines der genutzten Flockungsmittel hat z. B. dazu geführt, dass die Membrane ganz schnell verstopfen. Solche Erkenntnisse sind gut, weil wir bewusst Grenzen überfahren wollten. Etwas was bei einer Großanlage im Betrieb auf gar keinen Fall passieren dürfte. Genau diese Grenzerfahrungen liefern uns wichtige Erkenntnisse für den Betrieb der späteren Anlage. Aktuell wird die Ultrafiltration im direkten Vergleich mit der Filterstufe I getestet. Zu den Ergebnissen können wir erst in einigen Wochen mehr sagen. Anschließend ist der Einsatz mit dem Filtrat nach Filterstufe II geplant.
Virginia Wettekamp: Frau Dr. Lipp, Ihr wissenschaftliches Institut begleitet unsere Pilotierung. Was ist das Besondere an der Ultrafiltration?
Dr. Pia Lipp: Die Ultrafiltration ist ein Aufbereitungsverfahren, das eingesetzt wird, um Partikel aus einem Wasser über Membranen zu filtrieren. Diese Membranen haben eine Trenngrenze, die sicherstellt, dass alle Partikel, die größer als die Porenweite der Membran sind, zurückgehalten werden. Infolge gestiegener Anforderungen an die Trinkwasserbeschaffenheit hinsichtlich mikrobiologischer Parameter, hat das TZW bereits 1993 begonnen, dieses Verfahren zu erproben und unter praxisnahen Bedingungen zu testen. Seit 1998 wird dieses Verfahren zunehmend in der öffentlichen Trinkwasserversorgung eingesetzt, da es gegenüber der konventionellen Filtration über Sandschüttungen etliche Vorteile bietet. In diesem Zeitraum entwickelte sich die Technologie weiter, bspw. durch verbesserte Membranmaterialien und verbesserte Betriebsweisen.
Virginia Wettekamp: Herr Mokros, warum, muss man die Ultrafiltration überhaupt so aufwändig testen, wenn die Membrantechnik doch schon so etabliert ist?
Andreas Mokros: Es gibt mehrere Parameter, die den optimalen Einsatz der Ultrafiltration beeinflussen: Die Rohwasserbeschaffenheit, die verwendeten Aufbereitungsstoffe, die Fördermengen und die Temperatur des Wassers wirken sich in ihren Kombinationen unterschiedlich auf die in der Ultrafiltration eingesetzten Membrane aus. Für uns ist z. B. interessant, wie oft die Membran gespült werden müssen oder wie viele Module wir letztlich brauchen werden. Außerdem sammelt die Mannschaft in Glüder derzeit wichtige Erfahrungen, die sich später im Betrieb auf die Großanlage übertragen lassen.
Virginia Wettekamp: Gibt es Stoffe, die trotz Ultrafiltration im Wasser bleiben?
Dr. Pia Lipp: Die bei der Ultrafiltration eingesetzten Membranen halten nur partikuläre Wasserinhaltsstoffe zurück. Gelöste Stoffe wie z. B. Huminstoffe (Das sind organische Substanzen des Bodens, die bei der Zersetzung von Tieren oder Pflanzen entstehen. Anmerkung der Redaktion), Salze, Pestizide, Arzneimittelrückstände oder andere Spurenstoffe passieren die Membranen weitgehend ungehindert. Nur solche Substanzen, die an Partikeln adsorbieren können, werden durch Ultrafiltration abgetrennt. Im vorliegenden Fall werden vor der Filtration Flockungsmittel zugegeben, um Huminstoffe in Flocken einzubinden und die Huminstoffe mit den Flocken abzufiltrieren.
Virginia Wettekamp: Wenn Sie das bisherige Verfahren mit der Ultrafiltration vergleichen, wie unterscheidet sich die Wasserqualität?
Andreas Mokros: Der aktuell gestartete Versuchsabschnitt (Vergleich mit der Filterstufe I) wird erst einen genauen Vergleich zur Bestandsanlage liefern können. Hier werden wir dann nach Abschluss der Tests ein Ergebnis ermitteln und das wird in circa vier bis sechs Wochen der Fall sein. Vorab kann man bereits sagen, dass unsere Anlage – wie wir alle wissen – ja schon jetzt eine sehr gute Qualität liefert und da wird es schon schwer, dies noch weiter zu überbieten. Im direkten Vergleich werden daher andere Faktoren eine wichtige Entscheidungsgrundlage liefern, z. B. dass wir die Betriebssicherheit trotz stark schwankender Rohwasserqualität steigern können. Denn unser Rohwasser ist ein Oberflächenwasser, das sich in seiner Zusammensetzung zwangsläufig oft deutlich unterscheidet.
Virginia Wettekamp: Wird die Technik weiterentwickelt? Oder gibt es heute schon bessere Filter?
Dr. Pia Lipp: Die Weiterentwicklung der Technik liegt nicht in unseren Händen sondern bei den Membranherstellern. Wir führen Pilotversuche durch, unter anderem, um neue Systeme/Membranen hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten zu untersuchen. Die Auswahl der Systeme orientiert sich an der jeweiligen Aufgabenstellung. Im vorliegenden Fall untersuchen wir, unter welchen Bedingungen die Ultrafiltration betrieben werden kann und mit welchem Wasser innerhalb des bestehenden Aufbereitungsprozesses die besten Ergebnisse erzielt werden können. Diese Daten dienen dann als Grundlage für die großtechnische Umsetzung.
Virginia Wettekamp: In welchen Bereichen kann man die Ultrafiltration einsetzen? Nur in der Wasseraufbereitung oder noch in ganz anderen Bereichen?
Dr. Pia Lipp: Die Ultrafiltration ist ein Trennverfahren, das in vielen Bereichen eingesetzt werden kann, in denen Partikel aus flüssigen Medien entfernt werden müssen. Neben der Wasseraufbereitung in der öffentlichen Trinkwasserversorgung, wird das Verfahren auch in der Industrie zur Prozesswasseraufbereitung oder auch zur Gewinnung von Produkten eingesetzt. Im Lebensmittelbereich gibt es vielseitige Anwendungen bspw. zur Bierfiltration, zur Molkebehandlung oder Quarkherstellung.
Virginia Wettekamp: Wo sehen Sie aktuell noch Verbesserungsbedarf in der Pilotierung?
Andreas Mokros: Die Pilotierung an sich und die Begleitung und Unterstützung durch die beteiligten Unternehmen, läuft derzeit optimal. Mit dem TZW und insbesondere mit Frau Dr. Lipp und ihrem Team, haben wir absolute Spezialisten was die Pilotierungen von Membrananlagen angeht. Ebenso funktioniert der Support des Membranherstellers Inge bei der uns als Mietanlage zur Verfügung gestellten Pilotanlage hervorragend. Auch die Zusammenarbeit mit den internen Kollegen, wie unser Labor, die regelmäßig zusätzliche Wasserproben der Pilotanlage analysieren und die Kollegen der Netzgesellschaft, die neue Rohrleitungen zur Einspeisung aus den Filterstufen des Wasserwerkes zur Pilotanlage montiert haben, läuft bestens.
Virginia Wettekamp: Wann werden Sie eine endgültige Entscheidung zum Einsatz von Ultrafiltration treffen?
Andreas Mokros: Gegen Ende des Jahres werden die Versuche abgeschlossen sein und im Anschluss erfolgt eine Gesamtbewertung und Empfehlung, auf dieser Grundlage und mit einer Kostenübersicht, kann erst eine endgültige Entscheidung der Geschäftsführung und des Aufsichtsrates getätigt werden.
Virginia Wettekamp: Was passiert eigentlich mit dem Wasser, dass in der Pilotanlage eingesetzt wird?
Andreas Mokros: Das Wasser der Pilotanlage wird nicht als Trinkwasser verwendet, sondern landet im Absetzbecken. Es handelt sich dabei um Kleinstmengen, so dass der Test auch in einem Trockenjahr möglich ist.
Herzlichen Dank für das Interview!
Autor: Virginia Wettekamp
Wasseraufbereitung
Wasseraufbereitung im Wasserwerk Glüder (Solingen): Eine Beschreibung mit interaktiver Skizze der Aufbereitung des Trinkwassers in mehreren Stufen.