Der Kohle-Staat
Einer für (fast) alles
Als Hauptenergieträger setzte die DDR auf Braunkohle – und zwar mit einem Anteil von knapp 70 Prozent. Der Staat konnte aufgrund knapper Devisen nicht einfach am Weltmarkt Energieträger einkaufen und der Import von Steinkohle aus der Sowjetunion war zu teuer und zu aufwendig. Deshalb entschied sich die DDR dazu, im großen Stil eigene Braunkohlevorkommen abzubauen. Die Dimension stellte alles in den Schatten: Jedes Jahr förderte der Staat im Tagebau 300 Millionen Tonnen Braunkohle – das entsprach einem Drittel der weltweit abgebauten Menge. Die Braunkohle diente als Universalenergieträger. Es gab zwar noch die beiden Kernkraftwerke in Greifswald und Rheinsberg, aber das spielte im Energiemix der DDR keine große Rolle. Wichtiger waren Kombinate wie die „Schwarze Pumpe“ im Süden von Brandenburg. Der weltweit größte Braunkohleveredelungsbetrieb wandelte den fossilen Energieträger in Stadtgas um, das Haushalte neben Braunkohlebriketts zum Heizen nutzten. Auch die Stromproduktion basierte hauptsächlich auf Braunkohle. Mehr als 80 Prozent der erzeugten Energie stammte aus Kohlekraftwerken wie etwa dem in Boxberg in der Oberlausitz, wo die DDR ein Viertel des Stroms produzierte.
Pionierarbeit in der Tiefe
Bei aller Konzentration auf Braunkohle mit katastrophalen Umweltauswirkungen war die DDR auch ein echter Vorreiter: nämlich in der Erdwärme. Mit zahlreichen Tiefenbohrungen gelang es einer Gruppe von Ingenieuren schließlich, heiße Wasserbecken aufzuspüren und nutzbar zu machen. Dies war die Geburtsstunde der Geothermie in Deutschland. 1984 entstand daraufhin in Waren das erste deutsche Erdwärmekraftwerk. Es liefert bis heute Fernwärme an rund 1.800 Haushalte. Nächstes Jahr wird dieses seinerzeit innovative Kraftwerk 50 Jahre alt.
Energiewende auf den letzten Metern
Wenige Wochen vor dem Mauerfall und etwa ein Jahr vor der Wiedervereinigung passierte am 11. Oktober 1989 noch eine kleine Revolution auf dem Feld der Erneuerbaren Energien. Denn bei Wustrow – ganz im Norden des Arbeiter- und Bauern-Staates – ging an dem Tag die erste und einzige offizielle Windkraftanlage der DDR ans Netz. Diese kleine Energiewende erfolgte nicht auf Wunsch des Ministeriums für Kohle und Energie oder entsprang Planungen eines Energiekombinats, also einer Gruppe Volkseigener Betriebe zur Energieversorgung. Nein, die Entdeckung der Windkraft geschah auf Eigeninitiative eines findigen Bürgers: Klaus-Jürgen Beel suchte nach einer zusätzlichen Energiequelle für einen Holzhandel in Rostock, bei dem er damals arbeitete und schaffte es schließlich, die Behörden von dem Kauf einer Vestas-Anlage zu überzeugen. Übrigens liefert es immer noch Strom, allerdings nicht mehr für den Staat. Klaus-Jürgen Beel kaufte das Energie-Denkmal nach der Wiedervereinigung und betreibt es nun privat.
