Neues aus Brüssel und Berlin
Während sich in Brüssel klimapolitisch was bewegt, agiert die Bundesregierung mutlos. Kolleginnen und Kollegen der Stadtwerke Solingen diskutierten mit Vertretern des Stadtwerke-Verbundes Trianel über die energiepolitischen Entwicklungen 2020/2021.
Ambitionierter European Green Deal
Immer im neuen Jahr treffen wir uns mit Vertretern der Trianel aus Aachen zu einem energie-wirtschaftlichen Rückblick auf das abgelaufene Jahr. Diesmal Coronakonform per Videokonferenz. Im Mittelpunkt der diesjährigen Veranstaltung stand der Green Deal der Europäischen Union (EU). Die Europäische Kommission betrachtet unter der Federführung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Green Deal als einen entscheidenden Baustein für das übergeordnete Ziel, im Jahr 2050 klimaneutral zu sein. Die Basis für die ökologische Wende in Europa ist die Umgestaltung der europäischen Wirtschaft hinzu Nachhaltigkeit und Fairness. Als Zwischenziel bedeutet dies eine 55-prozentige Reduktion von CO2-Emissionen bis 2030. Diese politischen Weichenstellungen sollen insbesondere in 2021 in gesetzliche Leitplanken überführt werden. Bei Direktiven haben die einzelnen Mitgliedsländer dann zwei Jahre Zeit, die Vorgaben im nationalen Kontext umzusetzen. Fest steht schon heute, dass die aktuellen Klimaschutzziele in Deutschland so nicht ausreichen werden und noch höher gesetzt werden müssen. Während die EU also endlich mutig vorangeht, sind die Schritte der Bundesregierung in Sachen Klimaschutz eher zaghaft und mutlos.
Deutschland steigt aus der Kohle aus, aber spät und teuer
2020 streitet Deutschland über die Empfehlungen der Kohlekommission. Schließlich wird am 14. August das „Gesetz zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze“, das so genannte Kohleausstiegsgesetz, beschlossen. Demnach sollen Braunkohlekraftwerke bis 2038 geschlossen werden und dafür Entschädigungen erhalten oder in die Sicherheitsreserve gehen. Steinkohlekraftwerke erhalten die Möglichkeit, sich an einer von sieben Ausschreibungsrunden zu beteiligen und so freiwillig vom Netz zu gehen. Werden diese Ausschreibungen nicht ausreichend gezeichnet, droht von 2031 bis 2038 die ordnungsrechtliche Stilllegung von Steinkohlekraftwerken. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass kurzfristig neue und halbwegs klimafreundliche Steinkohlekraftwerke vom Netz gehen, während alte und schmutzige Braunkohlekraftwerke z. T. noch bis 2038 weiterlaufen. Parallel zum Kohleausstiegsgesetz wird 2020 das Strukturstärkungsgesetz verabschiedet. Dadurch fließen insgesamt rund 40 Milliarden Euro als Unterstützung in die vom Kohleausstieg betroffenen Bundesländer. So wird der Kohleausstieg in Deutschland nicht nur langwierig, sondern wohl auch kostspielig.
EEG-Novelle: bei Erscheinung schon überholt
Auch die EEG-Novelle, die Ende 2020 diskutiert wurde und am 1. Januar 2021 in Kraft trat, reicht bei weitem nicht aus, die ambitionierten Klimaschutzziele der EU für Deutschland umzusetzen. Sie bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die skizzierten Ausbaupfade der erneuerbaren Energien sind nicht ausreichend, da die wachsende Nachfrage nach Energie, z. B. für die Elektromobilität oder die Erzeugung von Wasserstoff nicht berücksichtigt ist. Somit ist die EEG-Novelle schon bei ihrem Erscheinen überholt. Trotz des enormen Umfangs des Gesetzes, das insgesamt 14 Gesetze verändert, darunter das erst im Sommer verabschiedete Kohleausstiegsgesetz, werden viele notwendige Entscheidungen auf 2021 verschoben oder gar nicht getroffen. Dazu gehört z. B. der geplante Vorrang für Erneuerbare Energien, der ursprünglich diskutiert wurde, aber letztlich unter den Tisch fiel. Für Altanlagen, die nach 20 Jahren aus der Förderung fallen, gibt es nur eine vorübergehende Lösung. Repowering Optionen, die dafür sorgen könnten, dass dringend benötigte Altanlagen effizient weitergenutzt werden können, sind nicht in Sicht. Auch der Stromnetzausbau oder die Sektorkopplung bleiben offene Baustellen. Themen wie Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung für Onshore-Windkraft, die Ausbaupfade für Erneuerbare Energien, Konzepte zur dringend nötigen Absenkung der EEG-Umlage oder die Anpassung der Regulierung bei negativen Strompreisen sollen nun in 2021 in einem Entschließungsantrag gelöst werden. Aber es scheint fraglich, ob der politische Wille in der ablaufenden Legislaturperiode für diese großen Aufgaben ausreicht.
Was kommt nach dem Superwahljahr 2021?
Schließlich ist 2021 nicht nur ein Corona- sondern auch ein Superwahljahr. In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern stehen die Landtagswahlen an. Am 26. September ist außerdem Bundestagswahl. Die Mehrheit der Beobachter geht davon aus, dass die Grünen dabei Mitglied einer neuen Regierungskoalition werden. Auf ihrem Bundesparteitag vom 20. bis 22. November haben sich die Grünen zum ambitionierten 1,5 Grad-Ziel verpflichtet. Sie fordern außerdem 100 Prozent Erneuerbare Energien, mehr dezentrale Versorgung und Infrastrukturen wie Strom- und Gasleitungen stärker in öffentlicher Hand. Aber auch die anderen Parteien sind aufgrund der gesellschaftlichen Situation gezwungen, sich stärker mit den Themen Klima und Naturschutz zu beschäftigen. Man kann also hoffen, dass 2022 endlich mehr Mut in Deutschland herrscht, die notwendigen Aufgaben auch anzugehen. Klar ist jetzt schon: Die Entscheidungen aus Brüssel werden nationales Recht werden. Dies wird in Deutschland auf die Bundesländer und letztlich auf die Kommunen heruntergebrochen werden. Als Stadtwerke Solingen stehen wir in der Pflicht, Antworten für Solingen anzubieten.
Autor: Kerstin Griese
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