Gaskugel Ohligs - Aussenansicht, Quelle: Sternwarte Solingen
Gaskugel Ohligs - Aussenansicht, Quelle: Sternwarte Solingen

Wie aus der Gaskugel Ohligs das Galileum Solingen wird

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Heute Abend findet eine Benefiz­ver­an­staltung mit dem bekannten Philo­sophen Richard David Precht zu Gunsten des Galileums Solingen statt. Aus diesem Anlass, möchte ich Euch einen Überblick über die Geschichte der Gaskugel Ohligs geben. In 2013 habe ich einige Vorträge dazu gehalten und mich tief in die Geschichte der Gaskugel einge­ar­beitet. Seinerzeit fiel die Entscheidung, dass die Stadt­werke Solingen die Gaskugel an die Stern­warte Solingen übergeben, damit diese die Gaskugel zum „Galileum Solingen im Stadt­werke Park“ umbauen. Und jetzt kann ich mit meinem Wissen noch mal prunken!

Die 20er Jahre des 19. Jahrhunderts

Die Geschichte beginnt in den 20er Jahren des 19. Jahrhun­derts. Damals wurde die Straßen noch mit Pech- und Kienpfannen, später mit Öllampen beleuchtet. Es dürfte also ziemlich düster gewesen sein in den Solinger Straßen. Ende 1857 entstand in Solingen eine Gasan­stalt durch die Gas-Aktien-Kommandit-Gesell­schaft W. Ritter & Co. Dieses zunächst privat­wirt­schaft­liche Unter­nehmen erzeugte ab Ende 1859 Gas zur Beleuchtung von Straßen, Firmen und Häusern in Solingen. Die Gaser­zeugung war damals noch ziemlich aufwändig und teuer: Kohle wurde in einem so genannten Retor­tenofen zu Gas destil­liert. Neben­pro­dukte wie Teer und Ammoniak mussten dem Gas entzogen und das so gewonnene Gas schließlich gespei­chert werden.

1865 und 1877 folgten Gasan­stalten in Wald und Dorp. Am 1. Juli 1892 nahm dann das städtische Gaswerk in Ohligs an der Tunnel­straße den Betrieb auf. In 1905 erfolgten Erwei­te­rungen am Gaswerk in Ohligs. 1907 wurde ein dritter Gasbe­hälter aufgebaut, 1915 eine Anlage zur Herstellung konzen­triertem Ammoni­ak­wasser und 1921 eine Wassergasanlage.

Gaswerk Ohligs an der Tunnelstraße 1926, Quelle: Stadtarchiv Solingen

Gaswerk Ohligs an der Tunnel­straße 1926, Quelle: Stadt­archiv Solingen

Ab 1912

Während in Ohligs also die Produktion ausgebaut wurde, ging Solingen einen anderen Weg: Ab 1912 bezogen die Solinger Ferngas von den Rheinisch-Westfä­li­schen Elektri­zi­täts­werken (RWE). Die RWE hatte in Essen große Kokereien aufgebaut, um Kohle in Koks umzuwandeln. Dabei entstand als Abfall­produkt Koksofengas. Dies wurde nun kosten­günstig über Hochdruck­rohre an Städte im Umland vertrieben. Aufgrund der Fernlie­ferung mussten die Solinger Regler­sta­tionen und Gasbe­hälter errichten. Die Regler­sta­tionen sorgten für die Druck­mi­ni­mierung zwischen Hochdruck­rohren und Versor­gungsnetz. Die Gasbe­hälter glichen Spitzen­be­darfe und Tages­schwan­kungen aus. Gleich­zeitig wurden sie benötigt, um per Druck­welle die Straßen­be­leuchtung zu steuern. Die Druck­welle setzte einen in der Lampe befind­lichen Mecha­nismus in Gang, der beim ersten Druck die Lampe anzündete und beim späteren Druck wieder löschte. 1934 gab es insgesamt 3.150 Gas-Straßen­la­ternen in Solingen.

1929 wurde Ohligs Solingen zugeschlagen. Dies zog einen Beschluss zur Still­legung des Ohligser Werkes nach sich, da Ohligs in den Gas-Liefer­vertrag zwischen Solingen und der Ruhrgas AG (als Nachfol­gerin der RWE) aufge­nommen wurde. Am 13. Juli 1930 war es so weit: Das Ohligser Ortsnetz wurde an die Ferngas­ver­sorgung der Ruhrgas AG angeschlossen. Ende Juli erfolgte dann die endgültige Still­legung des Ohligser Werkes mit dem Abriss oberir­di­scher Anlagen­teile wie dem Kohle- und Kokslager.

Ab 1929 wurden die Gas- und Wasser­werke Gräfrath, Höhscheid, Ohligs, Solingen und Wald mit den Strom­ver­sorgern zu den Städti­schen Gas-, Wasser- und Elektri­zi­täts­werken fusio­niert. 1935 dann in Stadt­werke Solingen umbenannt. Als Marke­ting­mensch konnte ich Euch unser altes Logo nicht vorenthalten:

Logo SWS 70er-Jahre

Logo SWS 70er-Jahre

Ich finde aber, dass wir jetzt viel besser aussehen.

Die 30er-Jahre

1935 gab es in Solingen 13 Gas-Regler­sta­tionen und neun Gasbe­hälter mit insgesamt 54.000 Kubik­meter Nutzinhalt. Hinter­grund war die vertrag­liche Verpflichtung gegenüber der Ruhrgas AG, dass die Stadt­werke Solingen immer 60 Prozent des maximalen Gas-Tages­ver­brauchs in Gasbe­hältern speichern konnte. Ein Großteil dieser Regler­sta­tionen und Gasbe­hälter wurde im Krieg zerstört. 1949 betrieben die Stadt­werke Solingen dann wieder neun Regler­sta­tionen und sieben Gasbe­hälter mit einem Gesamt­vo­lumen von 49.000 Kubikmeter.

Die 50er-Jahre

In den 1950er Jahren wurde Gas die meist­ver­breitete Energie­quelle zum Kochen und zur Warmwas­ser­be­reitung. Außerdem nahm der betrieb­liche Energie­bedarf durch anhal­tende Produk­tions-steige­rungen zu. Die Stadt­werke Solingen mussten ihre Speicher­ka­pa­zi­täten ausweiten und entschieden sich für den Bau eines Kugel­gas­be­hälters auf dem Gelände des still­ge­legten Gaswerks in Ohligs. 1956 und 1957 bauten die Stadt­werke die Gaskugel an der Tunnel­straße mit einem Fassungs­ver­mögen von 64.000 Kubik­metern und einem Durch­messer von 26 Metern. Damit kamen die Solinger nicht nur ihrer vertrag­liche Pflicht bezgl. Speicher­mög­lich­keiten gegenüber der Ruhrgas AG nach, sondern erzielten auch wirtschaft­liche Vorteile: Indem die Maximal­menge des täglichen Gasbe­zuges reduziert wurde, konnte das Gas insgesamt günstiger beschafft werden. Dazu lagerten die Stadt­werke über den Tages­verlauf überschüs­siges Gas ein, um es zu Spitzen­last­zeiten wieder in das Versor­gungsnetz einzuspeisen.

Bau des Gaskugelbehälters in Ohligs (1956/1957), Quelle: Stadtwerke Solingen

Bau des Gasku­gel­be­hälters in Ohligs (1956/1957), Quelle: Stadt­werke Solingen

Gaswerk Ohligs mit Gaskugel, 1959, Quelle: Stadtarchiv Solingen

Gaswerk Ohligs mit Gaskugel, 1959, Quelle: Stadt­archiv Solingen

Die 70er-Jahre

1973 stellte die Ruhrgas AG die Lieferung von Kokerei- auf Erdgas um. Dies betraf 29.000 Haushalte und 700 Anlagen in Industrie, Handel und Gewerbe in Solingen. Erdgas aber hatte den Vorteil, dass es ungiftig ist, einen höheren Brennwert besitzt und damit günstiger ist. Gleich­zeitig bedeutete die Umstellung aber eine Überar­beitung des Gasnetzes in Solingen, da Erdgas mit höherem Druck einge­speist werden muss. Die Straßen­be­leuchtung wurde auf Strom umgestellt, weil Erdgas nicht per Druck­welle gezündet werden kann: 1975 verschwanden die letzten histo­ri­schen Gasleuchten aus Solingen. In den 1970er Jahren wurden auch die alten Teleskop-Gaskessel abgebaut. Lediglich die Gaskugel Ohligs mit ihrem enormen Fassungs­ver­mögen blieb bestehen.

80er-Jahre bis heute

Als in den 1980er Jahre das Umwelt­be­wusstsein stieg, ergaben Unter­su­chungen der ehema­ligen Standorte von Gaswerken, dass die Böden der Standorte Gas- und Tunnel­straße saniert werden mussten. 1995 folgte die Moder­ni­sierung der Regler­station neben dem Kugel­gas­be­hälter in Ohligs, 2001 die Erneuerung der Oberflä­chen­be­schichtung der Gaskugel.

Schrägaufnahme der Gaskugel Ohligs (2015), Quelle: Stadt Solingen, Der Oberbürgermeister

Schräg­auf­nahme der Gaskugel Ohligs (2015), Quelle: Stadt Solingen, Der Oberbürgermeister

Anfang des Jahrtau­sends änderten sich die Beschaf­fungs­formen von Energie. Gas wird heute über den Großhandel im Rahmen von Bilanz­kreisen (virtu­ellen Verbrauchs­gruppen) bezogen. Die Nivel­lierung des physi­schen Gasver­brauches ist daher irrelevant geworden. Durch diese Änderung in der Beschaffung wurde auch die Gaskugel in Ohligs obsolet: 2009 erfolgte die Still­legung. Die Stadt­werke Solingen nutzen heute nur noch die Gasübergabe- und Regler­station an der Tunnel­straße. Der Gasku­gel­be­hälter und das um umlie­gende Gelände lag brach… Bis die Stern­warte Solingen Interesse an der Gaskugel und dem Gelände zeigte.

Inzwi­schen ist der Umbau der Gaskugel Ohligs in das Galileum Solingen im vollen Gang. 2018 wird das Galileum Solingen – ein einma­liger Raum in Deutschland – endlich eröffnet.

Gaskugel Ohligs - Außenansicht, Quelle: Sternwarte Solingen

Gaskugel Ohligs – Außen­an­sicht, Quelle: Stern­warte Solingen

Gaskugel Ohligs - Innenansicht, Quelle: Sternwarte Solingen

Gaskugel Ohligs – Innen­an­sicht, Quelle: Stern­warte Solingen

Autor: Kerstin Griese

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