Power to Gas

Gasnetze und ihr zweites Leben

Unser Autor:

Wasser­stoff als klima­neu­traler Energie­träger ist in aller Munde, insbe­sondere für die Sektoren Mobilität, Industrie, Wärme oder als Speicher­medium. Was unser Gasnetz damit zu tun hat beant­wortet mir Stadt­werke Geschäfts­führer Andreas Schwarberg.

Interview mit Andreas Schwarberg zum Thema Wasserstoff

Foto A. Schwarberg rechts mit umflie­ßendem Text einbinden.

Andreas Schwarberg Stadtwerke Solingen

Kerstin Griese: Herr Schwarberg, wieso ist Wasser­stoff für die Energie­wende überhaupt so wichtig?
Andreas Schwarberg: Die Umstellung auf Strom aus erneu­er­baren Energien wie Wind und Sonne ist einer der Haupt­pfeiler der Energie­wende. Aller­dings hat er den Nachteil, dass er nicht immer verfügbar ist: Bei Windstille oder nachts nützen Windräder und PV-Anlagen nämlich wenig. Umso wichtiger ist die Speicherung von Strom. Strom lässt sich in größeren Mengen aber nur sehr aufwändig speichern, etwa in Strom­spei­chern wie Batterien oder Pumpspei­cher­kraft­werken, indem man Wasser mit dem vorhanden Strom nach oben pumpt und bei Strom­bedarf über eine Turbine ablaufen lässt. Außerdem kann man Wasser z. B. in Warmwas­ser­spei­chern speichern. Das muss man sich wie einen riesigen Wasser­kocher vorstellen. Es gibt aber noch eine Methode Strom zu speichern: Die nennt sich Power-to-Gas. Dabei wird z. B. mit Hilfe von Ökostrom in einem Elektro­lyseur Wasser in Wasser­stoff und Sauer­stoff getrennt. Den Wasser­stoff kann man dann speichern oder ander­weitig verwenden. Aller­dings handelt es sich dabei um ein sehr energie­in­ten­sives Verfahren, was zudem einen geringen Wirkungsgrad aufweist. Die Methode ist daher vor allem für Ökostrom geeignet, den man sonst abregeln müsste, weil er gerade nicht ins Netz einge­speist werden kann sowie für Sonnen- oder Wind-Strom aus Ländern, wo Sonne und Wind reichlich zur Verfügung stehen.

Kerstin Griese: Wofür kann er noch verwendet werden?
Andreas Schwarberg: Wasser­stoff ist vielseitig einsetzbar. Im Mobili­ät­ssektor ist er eine Alter­native zum Strom. Gerade Schwer­last­verkehr wie Schiffe, Flugzeuge oder LKWs benötigen so viel Antriebs­kraft, dass die Akkus für einen elektri­schen Betrieb zu groß und zu schwer werden würden. Hier ist Wasser­stoff in Verbindung mit einer Brenn­stoff­zelle optimal zu nutzen. Auch in der Industrie gibt es Prozesse, die man nicht elektri­fi­zieren kann, wie z. B. in der Stahl­er­zeugung. Hier könnte Wasser­stoff den heutigen Kohle­einsatz verdrängen und den Betrieb der Anlage dekar­bo­ni­sieren. Auch für die Wärme­wende kann Wasser­stoff ebenso wie Bioerdgas einen Beitrag leisten, als Ersatz für Erdgas. Man muss bedenken, dass heute rund 50 Prozent aller Heizungen in Deutschland mit Erdgas heizen.

Kerstin Griese: Sie sprachen von Wasser­stoff und Bioerdgas. Was sind da die Unter­schiede?
Andreas Schwarberg: Beide genannten Gase gelten als klima­neutral. Wasser­stoff kann man je nach Produktion unter­scheiden: Grüner Wasser­stoff wird, wie beschrieben, mit Hilfe von Ökostrom im Elektro­lyseur herge­stellt. Daneben gibt es noch blauen und türkisen Wasser­stoff. Beide werden aus Erdgas herge­stellt und sind eher als Brücken­tech­no­logie zu grünem Wasser­stoff zu sehen. Bei blauem Wasser­stoff nutzt man Erdgas und spaltet das C02 ab. Dies wird dann unter­ir­disch gespei­chert, so dass es nicht in die Umwelt gelangen kann. Auch türkiser Wasser­stoff entsteht aus Erdgas. Hier wird jedoch fester Kohlen­stoff abgespalten, den man später, z. B. im Straßenbau, einsetzen kann. Daneben gibt es noch Bioerdgas. Das wird aus Biogas aufbe­reitet. Biogas entsteht wiederum bei der Vergärung von Biomasse. Bioerdgas gilt als klima­neutral, weil nur das vorher in den Pflanzen gebundene CO2 freige­setzt wird. Bioerdgas kann 1:1 in Gashei­zungen genutzt werden, Wasser­stoff nur als Beimi­schung (Schon heute dürfen bis zu 5% Wasser­stoff dem Erdgasnetz beigefügt werden. Studien gehen davon aus, dass ggf. bis zu 10% beigemischt werden könnten, ohne dass es einer Anpassung bedarf.) oder nach Weiterverarbeitung.

Kerstin Griese: Und was hat das mit unserem Gasnetz zu tun?
Andreas Schwarberg: Die vorhandene Gasin­fra­struktur mit ihrem Fernlei­tungs- und Verteilnetz, mit ihren Tankstellen und Speichern eignet sich wunderbar für die Verteilung und Nutzung von Wasser­stoff und Bioerdgas. Wir haben in Deutschland insgesamt 500.000 Kilometer Gaslei­tungen, davon 389.000 Kilometer allein im örtlichen Verteilnetz. Wir haben ca. 850 Erdgas­tank­stelen und 47 unter­ir­dische Speicher, die derzeit 240 Milli­arden kWh, also ein Viertel des bundes­weiten Verbrauchs in 2019, bevor­raten können. Damit können wir Wasser­stoff oder Bioerdgas speichern und bis zum Endkunden verteilen.

Kerstin Griese: Und diese Gase sollen über das Gasnetz zu den Kunden gelangen?
Andreas Schwarberg: Der Bundes­verband der Energie­wirt­schaft (BDEW) hat einen Ausbaupfad definiert: Bis 2030 sollen große Biogas­an­lagen umgerüstet werden und das entste­hende Biomethan als Beimi­schung ins Erdgasnetz einge­speist werden. Außerdem soll sich der Markt für grünen, blauen und türkisen Wasser­stoff entwi­ckeln. Zwischen 2030 und 2040 sollen klima­neu­trale Gase vermehrt produ­ziert und dem Erdgas in steigenden Anteilen beigemischt werden. Ein schneller Weg, um CO2 zu reduzieren. 2040 bis 2050 sollen schließlich die Märkte für klima­neu­trales Gas inter­na­tio­na­li­siert werden und der Anteil der Gase im Gasnetz auf 100 Prozent gesteigert werden. Dafür müsste die vorhandene Infra­struktur nur punktuell angepasst werden. Übrigens soll es für die Industrie – insbe­sondere das produ­zie­rende Gewerbe – reine Wasser­stoff-Netze geben. Ich erinnere an das Beispiel der Stahl­in­dustrie, das ich oben genannt habe. Privat­kunden würde eine Mischung aus klima­neu­tralen Gasen zur Verfügung gestellt. Der Vorteil für diese Kunden wäre, dass die techni­schen Anpas­sungen der (Erdgas-)Heizungsanlagen minimal wären.

Kerstin Griese: Das hört sich so einfach an. Wo ist der Haken?
Andreas Schwarberg: Es fehlt derzeit an verschie­denen Rahmen­be­din­gungen, die vom Gesetz­geber geschaffen werden müssten: So braucht es große Mengen von Ökostrom, um ausrei­chende Mengen Wasser­stoff herzu­stellen. Diese Mengen können wir in Deutschland allein nicht erzeugen, sondern müssten dabei auf Partner setzten. Die zu schaf­fenden Wasser­stoff­netze müssten regula­to­risch den heutigen Erdgas­netzen gleich­ge­stellt werden. Verschiedene Gesetze, wie das Gebäu­de­en­er­gie­gesetz, das Kraft­wär­me­kopp­lungs­gesetz, das Brenn­stoff­emis­si­ons­han­dels­gesetz und die europäi­schen erneu­erbare Energien Richt­linien müssten angepasst werden. Um ein Beispiel zu nennen: Es gibt z. B. Probleme beim Eichrecht. Die aktuellen Messein­rich­tungen können und dürfen den Anteil von klima­neu­tralen Gasen im Erdgas nicht messen. Hier bedarf es neuer Regularien, die das Problem besei­tigen. Zusam­men­ge­fasst: Die Politik müsste Anreize setzen durch Gesetze, Regulie­rungen und Förder­gelder. Die Gasbranche wäre bereit, zu liefern!

Autor: Kerstin Griese

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