Mehrweg bei Lieferdiensten?
Ich bestelle gerne bei Lieferdiensten – in diesen Zeiten mehr als früher. Nach dem Essen überkommt mich dann aber angesichts der Müllberge der Katzenjammer. Jetzt will das Umweltministerium gegen die Müllflut vorgehen und ich sehe eine Lösung!
Am 3. Juli ist Schluss mit Einwegplastik
Im Sommer 2019 – also noch vor der Corona-Pandemie – hatte das EU-Parlament das Aus für Einwegplastik beschlossen. Zum 3. Juli ist auch in Deutschland damit Schluss. Dies betrifft vor allem die Restaurants und Lieferdienste, die gerade jetzt deutlich mehr ausliefern, aber auch gleichzeitig auf den Liefer- oder Abholservice angewiesen sind. Das Gesetz betrifft zunächst nur Einwegplastik. Aluschalen könnten also weiterverwendet werden. Es ist aber davon auszugehen, dass das Verbot von Aluschalen, die bei der Produktion noch mehr CO2 emittieren als Plastik, kommen wird.
Nächster Schritt: Mehrweg to go
Lieferdienste werden also auf umweltfreundlichere Varianten wie Pappe umsteigen. Entsprechende Angebote gibt es heute schon von einigen Lieferdiensten. Jetzt ist das Bundesumweltamt unter Ministerin Svenja Schulze aber einen weiteren Schritt gegangen: Ab Januar 2023 müssen Lieferdienste ihre Speisen in Mehrwegverpackungen ausfahren. Ich finde das Gesetz richtig, vielleicht kommt die Ankündigung aber zur Unzeit. Das sieht jedenfalls Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes so: „Liefer- und Abholdienste sind momentan das Einzige, was die Branche am Leben erhält. Das Letzte, was die Gastronomie jetzt braucht, ist die Aussicht auf zusätzliche Kosten und Dokumentationspflichten.“
Und wie ist das in Solingen?
Deshalb habe ich mal bei Solinger Restaurants und Imbissen nachgefragt, was die neuen Regelungen für sie bedeuten:
Olymp-Imbiss
Zunächst erreiche ich Maria Markopoulou vom Olymp-Imbiss in der Bebelallee 2. Der Olymp-Imbiss bietet Pizzen, Griechisches Essen und Schnitzel. Maria Markopoulou setzt darauf, dass ihr Lieferant demnächst Geschirr aus umweltfreundlichen Alternativen anbieten wird. Allerdings macht sie sich Sorgen, wie teuer das Geschirr für sie und damit auch ihre Kunden werden wird. Sie erwartet nicht unerhebliche Kostensteigerungen in der Gastronomie. Im Oktober 2020 hatte unser Blog-Gastautor Max Karänke bereits empfohlen, man solle bei Abholung und Lieferung eigene Behälter nutzen. Maria Markopoulou hat dafür eine pragmatische Lösung parat: „Dosen und Behälter, die ein Kunde mitbringt, dürfen aus Hygienegründen nicht hinter den Tresen gebracht werden. Ich würde das Essen daher in unseren Schüsseln auf einen Tisch stellen, wo der Kunde sein Essen in die eigenen Behälter füllen könnte.“ Also! Da geht doch was!
Merscheider Schützenhaus
Auch das Merscheider Schützenhaus im Kyllmannweg 33 bietet jetzt in der Coronazeit einen Liefer- und Abholservice an. Chef Bruno Kozul hat die klassische Speisekarte dafür reduziert: Die verbleibenden Gerichte bleiben auch bei Lieferung oder Abholung qualitativ hochwertig – im Mittelpunkt Schnitzel und Tagesgerichte. Er erzählt mir, dass er sich schon im ersten Lockdown über das viele Verpackungsmaterial geärgert hat. Deshalb hat er im Frühjahr bereits nach Mehrweg-Alternativen gesucht, aber noch keine befriedigende Lösung gefunden. Ihm schwebt eine zentrale Solinger Lösung vor, wie auf dem Dürpelfest, wo die Mehrweg-Gläser an den Ständen von einer einzigen Firma kommen, die sich um die gesamte Logistik kümmert. So ein Pfandsystem möchte er auch deshalb nicht selber aufbauen, weil die Startkosten extrem hoch seien. Außerdem befürchtet Bruno Kozul eine Menge Dokumentationspflichten.
Al B’Andy
Im Al B’Andy kann man während des Lockdowns Essen abholen, das lt. Aussage von Till Droß, einem der beiden Chefs im Al B’Andy, auch weiterhin „bodenständig, ehrlich und lecker“ ist. Till Droß kennt die Mehrweg-Diskussion und auch einen Dienstleister, der ein entsprechendes System bundesweit anbietet. Noch hat er sich daran nicht angeschlossen. Aber wenn Kunden den Wunsch hätten, ihr eigenes Geschirr für die Abholung zu nutzen, würde er es selbstverständlich auch heute schon möglich machen. Auf meine Frage, ob das schon mal vorgekommen sei, verneint er jedoch. Also Leute, mehr Öko-Mut bei der Bestellung!
Schälte Fischdelikatessen
Dem Hinweis von Till Droß folgend, habe ich dann in Solingen tatsächlich einen Lieferdienst gefunden, der schon mit Mehrweg-Geschirr arbeitet: Schälte Fischdelikatessen in Ohligs. Stephan Schälte nutzt den Service von Vytal seit Mitte Dezember. Zuvor war er schon auf recyceltes Plastik und dann auf kompostierbare Verpackungen umgestiegen. Jetzt bietet er auch Mehrweg-Geschirr an. Der Service ist für den Kunden kostenlos: Man läd sich im App-Store die Vytal-App herunter und generiert einen Code. Dieser Code kann dann telefonisch (bei Bestellung) oder per QR-Code-Reader (bei der Abholung) bei den teilnehmenden Restaurants vorgelegt werden. Dann erhält man sein Essen im Mehrweg-Geschirr. Das gesäuberte Geschirr bringt man anschließend zu Schälte zurück oder tauscht es bei der nächsten Bestellung aus. Das funktioniert auch, wenn man bei einem anderen teilnehmenden Restaurant in Solingen eine Bestellung aufgibt. Je mehr Restaurants in Solingen also mitmachen, desto komfortabler wird es für die Kunden. Wer mitmacht, sieht man in der App! Stephan Schälte, der sich schon immer über das viele Plastik im Meer geärgert hat, schließlich stammt dort sein Fisch her, sagt sogar, dass die Leihgebühr, die er an den Dienstleister abführt, günstiger sei, als die Behälter einzukaufen.
Persönliche Konsequenz
Bei der Recherche zu diesem Thema habe ich gesehen, dass es auch andere Dienstleister gibt, bei denen Restaurants Mehrweg-Systeme einkaufen können. Es liegt also an uns als Verbraucher solche Lösungen einzufordern. Ich persönlich bin ganz begeistert, wie weit die Branche eigentlich schon ist und werde jetzt bei meinen Bestellungen immer fragen, ob es auch eine Mehrweg-Alternative gibt.
Autor: Kerstin Griese