Sengbach-Samstag – 120 Jahre Sengbachtalsperre: Meilensteine und Herausforderungen
Kaum zu glauben, dass seit der Einweihung der Sengbachtalsperre schon 12 Jahrzehnte vergangen sind. Erfahrt zum Abschluss unserer Jubiläumsserie interessante Details zu fünf ganz besonderen Ereignissen rund um die Talsperre und das Wasserwerk.
1974: Glüder erhält neue Wasseraufbereitungsanlage
Vor knapp 50 Jahren war das Wasserwerk Glüder endgültig in der ´Neuzeit` angekommen: Mit einer neuen Wasseraufbereitungsanlage wurden die Qualität und die Aufbereitungskapazitäten des Wasserwerks 1974 auf ein neues, für damalige Verhältnisse sehr modernes Level angehoben. Zeitgleich wurde das alte Pumpwerk abgeschaltet .
2003: Historisches Fest zum 100jährigen Talsperren-Geburtstag
Der 100jährige Geburtstag der Sengbachtalsperre wurde im Juni 2003 mit einer großen Jubiläumsfeier am Fuß der Staumauer begangen. Unter dem Motto „Eine Reise in das Jahr 1903“ spannten die Stadtwerke Solingen als Festausrichter einen breiten Bogen von der Vergangenheit bis in die Gegenwart, u. a. mit sportlichen und musikalischen Darbietungen wie aus dem vorigen Jahrhundert. Die Festlichkeiten fanden hauptsächlich auf einer großen Bühne und in einem historischen Festzelt statt. Ein Dampfkarussell und andere Attraktionen sorgten für noch mehr historisches Flair. Fachvorträge zum Thema Wasser rundeten den Jubiläumstag ab.
2011: Frischzellenkur für alte Steine: Sanierung der Staumauer
Um die Zuverlässigkeit der großen Bruchstein-Staumauer weiterhin zu erhalten, war es 2011 Zeit für eine Renovierung. Erstmals seit der Mauer-Errichtung wurden alle Mauerfugen, an der wasserabgewandten Seite, 8cm tief aufgestemmt und anschließend neu verfugt. Zuvor musste die betroffene Mauerseite allerdings von unten bis oben eingerüstet werden, um den beauftragten Mauerprofis ihre anstrengende Arbeit überhaupt zu ermöglichen. Das Gerüst blieb bis zum Abschluss der langwierigen Sanierung erhalten und bot einen wirklich spektakulären Anblick!
2017: Talsperren-Tiefenreinigung: Entfernung von Sediment aus dem Vorbecken
Könnt ihr euch vorstellen, wie viel schlammiges Sediment sich von 1903 bis 2017 auf dem Grund des Talsperren-Vorbecken angesammelt hatte? Richtig, eine ganze Menge. Und das musste dringend weg. Es wird übrigens in der Fachsprache auch als „Sedimenträumung“ bezeichnet. Doch ganz so einfach geht das nicht: Denn vor dieser Sanierungsmaßnahme waren umfangreiche Vorarbeiten nötig. Ein Saugbagger wurde extra aus den Niederlanden bestellt, der das Sediment aus dem gesamten, rund 100.000 m3 umfassenden Talsperren-Vorbecken nach und nach absaugte. Zuvor musste eine große Leitung schwimmend über das Vorbecken verlegt werden, mit der das Sediment in die sog. Absetzteiche des Wasserwerks Glüder geleitet werden konnte. Nachdem das Sediment darin später ausreichend getrocknet war, konnte es anschließend fachgerecht entsorgt werden.
2021: Standfest wie eh und je: Talsperre und Wasserwerk trotzen Jahrtausendhochwasser
Ihr werdet euch sicher noch gut daran erinnern: In der außergewöhnlichen Nacht vom 14. Auf den 15. Juli 2021 erlebte Solingen ein Hochwasser, wie es statistisch nur alle 10.000 Jahre vorkommt – zwei Meter über dem Durchschnitt! Trotz dieser gigantischen Herausforderung blieb die Sengbachtalsperre standhaft. Ihre Staumauer hielt die enormen Wassermassen weitgehend zurück, wobei die sog. Kaskadenrinne unterhalb der Mauer die Fluten, wie vorgesehen, an der Staumauer vorbei in das darunterliegende Tal Richtung Rieselwiese lenkte.
Allerdings brach ein 20 Meter langer Abschnitt des Damms am Wasserwerk Glüder. Das Wasser konnte sich so seinen Weg unterhalb der Turbinenhalle bahnen und den Elektronikkeller des Wasserwerks überfluten. In der Folge musste die Stromversorgung abgeschaltet werde. Nach drei Tagen konnte der Schaden durch die starke Zusammenarbeit unserer Kolleginnen und Kollegen dann behoben werden. Bis dahin wurde Solingen ersatzweise vom Bergischen Trinkwasser Verbund (BTV) versorgt. Durch die große Kraft des Hochwassers wurden außerdem zahlreiche Bäume entlang des Stausees entwurzelt und fortgerissen, die in den folgenden Tagen von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtwerke tatkräftig entfernt wurden. Außerdem musste eine Menge Treibgut aus den Zuflüssen zur Talsperre eingesammelt und einige Verblendungen am Überlauf repariert werden, die während des Hochwassers Schaden genommen hatten.
Glück im Unglück: Die wichtige Druckleitung für den Trinkwassertransport von Glüder nach Krahenhöhe war zwar durch die Wassermassen freigespült, aber nicht – wie zunächst befürchtet – während der Hochwassernacht von umstürzenden Bäumen getroffen worden. Damit sich in einem solchen Fall nicht eine große Menge Wasser zurück in die Wupper ergoss, hatten die zuständigen Kollegen und Kolleginnen die Rohrleitung aus Sicherheitsgründen noch während der Nacht mit einem Schieber geschlossen. Das Hochwasser riss außerdem die Datenleitung vom Wasserwerk Glüder zur Leitwarte der Netze Solingen auf der Beethovenstraße fort. Damit war eine Überwachung des Wasserwerks durch die zentrale Leitwarte unmöglich. Zum Glück konnten die Kolleginnen und Kollegen aus der Kommunikationsabteilung die Leitung innerhalb nur eines Tages wieder neu verlegen.
Am Ende dieses beispiellosen Naturereignisses stand für uns alle die klare Erkenntnis: Im Stadtwerke-Team und im Verbund mit vielen anderen tatkräftigen Helferinnen und Helfern, darunter von Dienstleistern, mit denen die Stadtwerke jahrelang zusammenarbeiteten, und von assoziierten Institutionen wie dem Wupperverband, konnten wir diese Krise erfolgreich bewältigen. Und was uns am meisten erleichterte: Niemand war ernsthaft zu Schaden gekommen.
Wir machen Talsperre und Wasserwerk fit für die Zukunft
Natürlich sehen meine Kolleginnen, Kollegen und ich nicht nur zurück in die Vergangenheit, sondern vor allem nach vorn: Damit ihr als Solinger Bürgerinnen und Bürger weiterhin auf eine zuverlässige und qualitativ hochwertige Trinkwasserversorgung zählen könnt, halten wir die Talsperre bestmöglich instand und modernisieren die Technik rund um das Wasserwerk Glüder kontinuierlich weiter. Wie ich schon in meinem letzten Blogtext berichtet habe, wird voraussichtlich Ende 2026 ein neues Pumpenhaus mit modernster Pumptechnik den Betrieb aufnehmen. Zusätzlich erhält das Wasserwerk dann eine neue Ultrafiltration. Denn für uns von den Stadtwerken ist es eine Ehre und Verpflichtung zugleich, das wichtige Erbe der Sengbachtalsperre zu bewahren und kontinuierlich an die aktuellen Bedürfnisse der Menschen anzupassen. Damit das Lebenselixier Wasser in bester Qualität weiter zu euch nach Hause fließen kann – heute und in Zukunft.
Autor: Andreas Mokros (Wasserwerksmeister)