Faktencheck: Warum steigt der Strompreis an den Börsen?
Durch den Ukrainekrieg ist Gas zu einem knappen Gut geworden. Das treibt den Gaspreis in immer neue Höhen. Warum der Gasmangel aber auch für steigende Strompreise an der Börse sorgt und was Verbraucher dagegen tun können, lest ihr hier.
Hoher Gaspreis treibt den Strompreis
Nicht nur die Gaspreise sind derzeit auf Rekordhöhe, auch die Strompreise klettern seit Monaten immer weiter nach oben. Zwar sind die Preissteigerungen beim Strom u. a. wegen der zum 1. Juli weggefallenen EEG-Umlage bisher geringer ausgefallen als beim Gas. Trotzdem wird mit einem weiteren Anstieg der Strompreise in naher Zukunft gerechnet. Als Abteilungsleiter im Bereich Energiehandel der Stadtwerke Solingen werde ich im Moment sehr oft gefragt, warum das eigentlich so ist.
Ganz grundsätzlich geht der Preisanstieg bei Strom auf die enorm große Energienachfrage unserer westlichen Industriewelt zurück, die seit einiger Zeit auf ein immer kleineres Angebot trifft. Denn die Gasfördermengen in Richtung Europa wurden durch den Angriffskrieg auf die Ukraine stark reduziert. Als Folge sind die Gaspreise stark gestiegen. Das hat auch große Auswirkungen auf den Strompreis. Erschwerend hinzu kam in den letzten Monaten die anhaltende Trockenheit in großen Teilen Europas. Sie hat zu Niedrigwasser in vielen Flüssen geführt. Dadurch konnten Kohle- und Atomkraftwerke, u. a. in Frankreich, nicht mehr ausreichend mit Rohstoffen beliefert werden und haben dementsprechend weniger Strom produziert. Auch viele Wasserkraftwerke konnten nur mit eingeschränkter Kapazität Strom erzeugen.
Stromhandel an der Börse: Die Reihenfolge entscheidet
Warum der Anstieg des Gaspreises auch den Strompreis nach oben drückt, zeigt sich beim Stromhandel an der Börse. An der Strombörse EEX mit Sitz in Leipzig wird europaweit mit Strom gehandelt. Dort verkaufen Energieerzeuger ihre Energie zu allgemeinen Wettbewerbsbedingungen an Energieversorger. Auch wir von den Stadtwerken Solingen kaufen dort Energie, um euch damit beliefern zu können.
Besonders beim Einkauf von sehr kurzfristig benötigten Energiemengen kommt dabei ein Prinzip zum Tragen, über das derzeit in den Medien viel berichtet wird: das sog. Merit-Order-Prinzip (zu deutsch: „Reihenfolge der Vorteilhaftigkeit“). Danach geben Erzeuger, die kurzfristig verfügbaren Strom anbieten können, für diesen einen Angebotspreis ab. Den günstigsten Preis bieten dabei in der Regel die Erzeuger von Wind- und Solarenergie, da ihre Produktionskosten am geringsten sind. Da Betreiber von Gaskraftwerken aber wegen des sehr teuren Rohstoffs Gas nur mit hohen Kosten Energie produzieren können, sind sie fast immer die kostenintensivsten Erzeuger mit den höchsten Preisen. Zum Zuge kommen schließlich alle Erzeuger, die zur Bedarfsdeckung benötigt werden. Dabei bestimmt der teuerste Anbieter, dessen Strom eingekauft wird, den Preis für alle anderen Energieerzeuger.
Der günstigste Stromerzeuger macht den größten Profit
Der teuerste Energieproduzent selbst nimmt bei diesem Handel nur seine Grenzkosten ein, d. h. die Kosten, die anfallen, damit sein Kraftwerk wieder die nächste Megawattstunde erzeugen kann. Alle anderen zum Zuge kommenden Erzeuger, die dem teuersten Produzenten in der Reihenfolge vorgeschaltet sind, machen dagegen Gewinne. Umso günstiger sie produzieren können, desto größer die Differenz zum teuersten Erzeuger und damit ihr Plus. Folglich treibt also der hohe Gaspreis, der die Ursache für die hohen Angebotspreise der Gaskraftwerks-Betreiber ist, auch die Strompreise in die Höhe.
Grundsätzlich soll mit dem Merit-Order-Prinzip u. a. erreicht werden, dass günstigere Erzeugungsarten einen höheren Gewinn erwirtschaften, der sich wiederum in einen Ausbau investieren lässt. Im Idealfall führen die aktuell hohen Strompreise also zu enormen Investitionen in Wind, Sonne, Biogas etc. Das Merit-Order-Prinzip hat sich übrigens keine Institution oder Person einfach ausgedacht. Im Gegenteil, auch an anderen Rohstoffmärkten, z. B. für Öl, Gas, Kupfer oder Milch, funktioniert die Preisbildung ‒ wenn auch unter anderen Namen ‒ nach diesem Prinzip.
Quo vadis, Strompreis?
Zwar lassen sich die an den Strombörsen gehandelten Preise nicht direkt auf die Preise übertragen, die ihr als Verbraucherinnen und Verbraucher für euren Strom zahlen müsst. Allerdings geben die Börsenpreise ein deutliches Signal für die zukünftige Preisentwicklung. Ein dauerhaftes Absinken der Strompreise ist deshalb erst einmal unwahrscheinlich.
Wichtig zu wissen: Als seriöses Energieversorgungsunternehmen kaufen wir von den Stadtwerken Solingen unseren Strom nicht nur kurzfristig an den entsprechenden Börsenplätzen ein, sondern decken uns – im Gegensatz zu manchen, inzwischen in Konkurs gegangenen Energiediscountern wie z. B. Stromio ‒auch über langfristige und damit etwas kostengünstigere Lieferverträge ein. Dadurch kommt die allgemeine Strompreiserhöhung bei euch, unseren Kundinnen und Kunden, deutlich gedämpfter an. Trotzdem hat der hohe Gaspreis natürlich auch auf die Strompreisentwicklung hier in Solingen großen Einfluss.
Verbraucherinnen und Verbraucher entlasten: Das planen EU und Bundesregierung
Die steigenden Energiepreise lassen auch die Politikerinnen und Politiker von Bund und EU buchstäblich nicht kalt: Sie wollen den Strommarkt grundsätzlich reformieren und so ein Absinken der Energiepreise erwirken. Derzeit ist eine EU-weite Preisobergrenze für Elektrizität geplant, die politisch festgelegt wird und von den EU-Energieministern bereits Anfang September erstmals gemeinsam beraten wurde. Trägt eine ausreichende Mehrheit der EU-Staaten diese Pläne mit, sollen u. a. die zuletzt stark gestiegenen, sog. „Zufallsgewinne“ einiger Stromerzeuger (das sind vor allem die Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien, Kohle und aus Atomkraftwerken) abgeschöpft und in den einzelnen Ländern hauptsächlich an einkommensschwache Haushalte verteilt werden.
Im Rahmen des sog. „dritten Entlastungspakets“ hat die deutsche Regierungskoalition inzwischen die sog. Strompreisbremse beschlossen (Beschluss Download, 0,1 MB, PDF). Das bedeutet: Die Strompreise für private Verbraucher sowie kleine und mittlere Unternehmen werden ab Januar 2023 bei 40 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt, und zwar bezogen auf den Basisbedarf von 80 % des Vorjahresverbrauchs. Wer mehr als den Basisbedarf verbraucht, zahlt den zusätzlich verbrauchten Strom zum teuren Marktpreis. Um das zu ermöglichen, sollen die Netzentgelte, die als fester Bestandteil der Stromkosten von den Stromverbraucherinnen und -verbrauchern getragen werden, im kommenden Jahr 2023 nicht ansteigen.
Parallel zur Strompreisdeckelung wurde auch eine Gas- und Fernwärmepreisbremse beschlossen. Sie sieht vor, dass spätestens ab März 2023 bis April 2024 für private Haushalte, kleine und mittlere Unternehmen sowie für Vereine der Gaspreis bei 12 Cent pro Kilowattstunde und der Fernwärmepreis bei 9,5 Cent pro Kilowattstunde begrenzt wird. Das Ganze soll rückwirkend zum 1. Februar 2023 gelten. Zusätzlich übernimmt der Bund im kommenden Dezember einmalig die Abschlagszahlung für die Gas- und Fernwärmeversorgung privater Haushalte sowie kleiner und mittlerer Unternehmen mit einem Gasverbrauch unter 1,5 Mio. Kilowattstunden pro Jahr. Mieterinnen und Mietern, deren Verbrauch von Gas und Fernwärme erst mit zeitlicher Verzögerung über die jährliche Betriebskostenabrechnung des Vermieters abgerechnet wird, erhalten die Entlastung über eine Gutschrift auf die Betriebskostenabrechnung.
Energiesparen: Was ihr selbst tun könnt
Vielleicht fragt ihr euch jetzt, ob und wie ihr selbst zu fallenden Strompreisen beitragen könnt. Meine Tipps dazu:
- Spart Energie, wo immer es geht. Damit tut ihr nicht nur eurem Geldbeutel etwas Gutes, sondern reduziert auch den Stromverbrauch insgesamt. Wenn weniger Strom benötigt wird, erhöht das wiederum die Chancen, dass die tatsächlich noch erforderliche Energiemenge hauptsächlich aus regenerativen, kostengünstigeren Quellen gedeckt werden kann. Damit wäre ein Stromeinkauf aus teuren und damit preisbestimmenden Gaskraftwerken immer häufiger überflüssig. Tipps zum Energiesparen im Haushalt findet Ihr auf unserer Homepage.
- Reduziert euren Gasverbrauch, wenn es euch möglich ist, z. B. durch die Umstellung eurer Heizungsanlage auf eine Solar(thermie-)anlage oder Wärmepumpenheizung. Denn eine geringere Gasnachfrage senkt schließlich den Gaspreis.
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