Reihe: Hilfe für die Ukraine – wie geht es den Geflüchteten?
Anfang März haben wir unsere Aktion Ukrainehilfe gestartet: Insgesamt konnten wir 40 Kinder und 52 Erwachsene aus der Ukraine nach Solingen holen. Ich habe mit zwei Kollegen und einer aufnehmenden Familie über den aktuellen Stand gesprochen.
Mit wem ich gesprochen habe
Ich habe bewusst darauf verzichtet, direkt mit Geflüchteten Kontakt aufzunehmen, weil ich keinen vor meine Kamera oder mein Mikrophon zerren wollte. Ich denke, die Kinder und Erwachsenen haben in den letzten Wochen genug mitgemacht. Meine Gesprächspartner waren Pavel Asadow, studentische Hilfskraft bei den Stadtwerken Solingen, Katarina Hahn, Mitarbeiterin der Netze Solingen und Familie Ringwelski, die zwei ukrainischen Frauen und deren drei Kinder aufgenommen hat. Die Frauen und Kinder aus der Ukraine wollten aber gerne ihr Bild mit uns teilen.
Lucia Greco: Was war Ihre Motivation, bei der Aktion zu helfen?
Pavel Asadow: Ich bin in Kirgisistan geboren. Mein Vater ist Russe. Aber ich habe auch ukrainische Vorfahren. Mit zweieinhalb Jahren kam ich nach Solingen in ein Flüchtlingsheim. Ich habe von meinen Eltern viel über unsere Flucht gehört. Ich hatte also gute Gründe zu helfen und ich kann russisch …
Katarina Hahn: Ich habe schon 2015 bei den syrischen Flüchtlingen geholfen. Auch das war damals eine schockierende Situation. Diesmal war ich über fünf Ecken gefragt worden, ob ich nicht einer ukrainischen Familie – zwei Frauen und drei Kindern – bei der Flucht nach Deutschland helfen könnte. Ich habe dafür gesorgt, dass sie mit unserm ersten Bus nach Solingen kommen konnten. Mir hilft es sehr, solche Krisen durch den Einsatz meines Know-hows, meines Netzwerks und mit meiner Hilfsbereitschaft zu verarbeiten.
Familie Ringwelski: Im letzten Jahr ist mein Bruder bzw. Sohn gestorben. Wir konnten es nicht über das Herz bringen, seine Wohnung auszuräumen und weiter zu vermieten. Als wir von der Flüchtlingswelle erfahren haben, änderten wir allerdings unsere Meinung. Jetzt ist die vollausgestattete Wohnung einem guten Zweck zugeführt worden. Es ist ja sonst nicht leicht, gleich fünf Personen aufzunehmen. Und mein Vater ist so glücklich mit den Kindern.
Greco: Wie war Ihr erster Eindruck von den Flüchtlingen?
Asadow: Ich bin mit dem Bus nach Przemyśl gefahren. Vor dem ersten Kontakt war ich ziemlich nervös, wegen meiner russischen Abstammung. Aber als wir dann ankamen, hat mir ein kleines Mädchen ihre Süßigkeiten geschenkt, mich ganz fest in den Arm genommen und „Danke“ gesagt. Das war sehr berührend. Überhaupt habe ich viel Dankbarkeit von den Ukrainern erfahren. Die wollten hier in Solingen erstmal nur duschen und sich ausruhen. Es gab da überhaupt keine Beschwerden, auch wenn es beim ersten Bus was holprig lief mit der Verteilung.
Ringwelski: Wir haben zwei Schwägerinnen aufgenommen mit ihren zwei-, fünf- und sechsjährigen Kindern. Das ist die Familie, die Frau Hahn nach Solingen gebracht hat. Das Zusammenleben funktioniert sehr gut: Mein Vater spielt mit den Kindern, die beiden Frauen helfen uns im Garten. Wir können uns gut auf Englisch unterhalten, eine der beiden Frauen ist Englischlehrerin. Beide sind so glücklich, dass es ihren Kindern jetzt gut geht. Auf der anderen Seite ist ein Großteil der Familie weiterhin in der Ukraine. Die Sorge um die Verwandten und die Angst vor schlechten Nachrichten sind groß. Deshalb wechseln Freude und Trauer immer wieder ab. Jeder Tag ist anders. Da würden wir gerne noch mehr helfen.
Greco: Apropos helfen: Wieviel Hilfe benötigen die Geflüchteten?
Ringwelski: Es ist viel mehr Hilfe nötig, als wir vorher gedacht hätten. Glücklicherweise sind wir eine große Familie, so dass es sich auf mehreren Schultern verteilt. Auch unsere Freunde unterstützen uns. Da sind z. B. eine Menge Behördengänge und Arztbesuche (z. B. für die ausstehenden Impfungen) zu erledigen. Glücklicherweise ist ganz Solingen hilfsbereit und die Behörden unterstützen uns sehr. Die Fünf machen sehr viel mit dem Bus. Den dürfen sie kostenlos benutzen. Das wichtigste wären jetzt erstmal Kindergartenplätze, damit die beiden Frauen arbeiten gehen können. Und damit die Kleinen die Sprache lernen und Anschluss finden. Die sechsjährige Mascha wird im August eingeschult. Darauf freut sie sich schon sehr. Seit kurzem kann sie auch ihren Ballettunterricht in einem Solinger Verein fortsetzen. Das ist eine große Hilfe!
Greco: Und wie sieht das bei anderen Familien aus?
Asadow: Ich hatte meine private Handynummer an die Familien weitergegeben. Da kamen viele Fragen wegen der Registrierung, den Impfungen, dem Sozialamt oder einer Arbeitserlaubnis. Alle wollen so schnell als möglich arbeiten! Die allerersten haben Jobs bei Haribo gefunden, einige arbeiten auch ehrenamtlich. Aber auch ich höre von den Familien, dass vor allem Kindergärtenplätze fehlen. Beim Schulunterricht sieht es besser aus: Die ersten Kinder gehen wohl ab Ende April in die Schule.
Hahn: Insgesamt läuft es viel unbürokratischer als 2015. Einige Familien haben schon eine eigene Wohnung gefunden und ich habe auch schon gehört, dass Kinder in die Kita gehen können. Im Moment hoffen wir, dass die Englischlehrerin, die bei Ringwelskis lebt, eine Stelle als Lehrerin bekommt. Da gibt es Gespräche mit dem Schulamt. Und noch eine schöne Geschichte: Eine geflüchtete Musikerin geht jetzt mit einem ukrainischen Orchester auf Deutschlandtournee. Mittlerweile ist sogar eine Freundschaft zwischen meiner Familie und einer ukrainischen Familie entstanden, die ebenfalls mit dem ersten Bus gekommen sind.
Greco: Und wie sieht der Zusammenhalt der Ukrainer untereinander aus?
Ringwelski: Der ist groß! Dienstags um 15.00 Uhr treffen sich im Augenblick so um die 50 Personen in Solingen Wald im Sozialdiakonischen Zentrum an der Poststraße. Dort geben sie sich gegenseitig Tipps und tauschen sich aus. Auch einige Deutschlehrer/innen sind da und geben Sprachunterricht. Ein Dolmetscher kann bei der Korrespondenz helfen. Hilfe für ukrainische Flüchtlinge gibt es übrigens auch im Mehrgenerationenhaus.
Greco: Vielen Dank für Ihre Berichte!