So gelingt der Umstieg aufs Elektroauto
Immer mehr Autos fahren elektrisch, doch worauf solltest du vor dem Umstieg vom Diesel oder Benziner auf ein E-Auto achten? Darüber habe ich mit dem E-Auto-Pionier Stefan Böhmer vom Solinger Verein Klingenstromer e.V. gesprochen.
Christian Olbrisch: Prognosen zeigen, dass bis zum Jahr 2030 7.000 bis 8.000 Elektrofahrzeuge auf Solingens Straßen unterwegs sein werden. Dementsprechend haben wir von den Stadtwerken bis heute 14 Ladesäulen im gesamten Stadtgebiet in Betrieb genommen und planen aktuell noch fünf bis sechs weitere. Im Zusammenhang mit der steigenden Beliebtheit von E-Autos erwägen jetzt immer mehr Solinger Autofahrerinnen und Autofahrer, den eigenen PKW mit Verbrennungsmotor durch ein E-Auto zu ersetzen. Was würden Sie als erfahrener Halter von Elektro-PKW diesen potenziellen Umsteigerinnen und Umsteigern raten?
Stefan Böhmer: Meine Frau und ich haben unser erstes E-Auto schon vor einigen Jahren gekauft und bis heute sehr gute Erfahrungen mit verschiedenen Stromern gemacht. Seit unserem ersten Fahrzeug, einem Renault Twizy, wurden und werden die E-Autos technisch ständig weiterentwickelt, und auch die Infrastruktur für elektrisches Fahren hat sich enorm verbessert. Deshalb kann ich den Umstieg aufs Elektroauto nur empfehlen. Wer sich konkret damit befasst, der sollte im ersten Schritt überlegen, wieviel Autokilometer er durchschnittlich in seinem Alltag zurücklegt. Am besten führt man mehrere Wochen lang ein Protokoll, in dem man erfasst, wohin und wie viele Kilometer man täglich fährt, wie lange die Fahrten in der Regel dauern und ob man hauptsächlich im Autobahn- oder Stadtverkehr unterwegs ist. Wer nutzt das eigene Auto außerdem noch und zu welchen Fahrten? Wichtig ist, dass man sein alltägliches Fahrprofil gut kennt, Urlaubsfahrten spielen nur eine geringere Ausnahme-Rolle. Bei der Auswertung seines Protokolls stellt man dann häufig fest, dass man täglich gar nicht so viele Kilometer fährt wie man eigentlich angenommen hat. Die meisten Menschen sind pro Tag nur 40 bis 50 km unterwegs – eine Distanz, die man mit der üblichen Reichweite eines E-Autos locker schafft.
Christian Olbrisch: Und wenn ich mein persönliches Fahrprofil erfasst habe, was mache ich dann?
Stefan Böhmer: Die nächste Frage wäre, wo ich mein Auto im täglichen Betrieb laden kann. Wo sind Ladestationen entlang meiner Fahrstrecken? Kann ich vielleicht sogar während der Arbeitszeit bei meinem Arbeitgeber laden? Benötige ich eine Ladestation, eine sogenannte Wallbox, zuhause in meiner Garage oder an meinem Stellplatz, die ich noch installieren lassen müsste? Der große Unterschied zwischen dem Autofahren mit Verbrenner-Motor und dem Autofahren mit E-Motor besteht generell darin, dass beim E-Auto Standzeiten immer als Ladezeiten genutzt werden sollten – egal ob beim Arbeitgeber, daheim in der Garage oder während des Einkaufs auf dem Parkplatz des Supermarktes. Daran mussten meine Frau und ich uns anfangs auch etwas gewöhnen, aber mit der Zeit haben wir das verinnerlicht.
Christian Olbrisch: Zum Glück ist die Autoindustrie ja inzwischen aufgewacht und es gibt viele verschiedene E-Fahrzeuge auf dem Markt. Etliche neue Modelle haben die Autohersteller außerdem schon in der Pipeline, wie man zum Beispiel gerade erst auf dem berühmten Genfer Autosalon sehen konnte. Aber wie findet man am besten das E-Automodell, das zu einem passt?
Stefan Böhmer: Die aktuelle Vielfalt an E-Automodellen finde ich sehr positiv. Als wir unseren Twizy bekamen, sah das noch ganz anders aus. Im Moment sehen wir schon voller Erwartung der Auslieferung unseres neuen Kia e-Niro entgegen, den wir gerade bestellt haben. Grundsätzlich sollte man sich natürlich zuerst überlegen, ob man ein Familienauto benötigt oder alleine oder zu Zweit unterwegs ist, welche Hobbies man hat, für die man möglicherweise mehr Stauraum benötigt, oder ob man eher einen kleinen Stadtflitzer möchte. Eine aerodynamische Karosserieform ist für eine optimale Reichweitenausnutzung sehr gut, vor allem dann, wenn man viel auf Autobahnen unterwegs ist. Die Auswahl des richtigen Automodells hängt auch davon ab, wieviel Reichweite ich täglich benötige. Daher sollte ich mir schon vorher Gedanken über mein tägliches Fahrprofil gemacht haben.
Christian Olbrisch: Wie unterscheiden sich die E-Autos denn in punco Reichweite?
Stefan Böhmer: Je größer der Akku, desto größer ist in der Regel auch die Reichweite eines E-Autos. Aber die Akkugröße und damit die Normreichweite ist aus meiner Sicht gar nicht so relevant für die Langstreckentauglichkeit eines E-Fahrzeugs. Ausschlaggebend für das persönliche Sicherheits- und Komfortgefühl ist doch viel mehr, wie schnell ich den Akku wieder aufladen kann. Besonders E-Auto-Neulingen, die im Umgang mit einem E-Auto noch etwas unsicher sind, rate ich aus eigener Erfahrung zu einem Modell mit Schnellladefunktion. Damit kann man den Ladevorgang deutlich beschleunigen. Aber schnellladen ist nicht gleich schnellladen – je nach Autohersteller gibt es Unterschiede, zum Beispiel im Hinblick auf die Schnellladezeit und das -system. Um einen besseren Überblick über die aktuellen Automodelle mit ihren jeweiligen Ausstattungsmerkmalen sowie praktischen Vor- und Nachteilen zu bekommen, hat meiner Frau und mir der Kontakt zu anderen E-Mobilisten von Anfang an sehr geholfen. So gibt es zum Beispiel für fast jedes E-Auto-Modell eine eigene Facebook-Gruppe. Aber wirklich wichtig sind für uns die regelmäßigen „Klingenstromer“ -Vereinstreffen. Dort tauschen wir uns aus, erörtern aktuelle Entwicklungen und Fragen. Interessierte dürfen auch mal nach Absprache eine „Probefahrt“ im E-Fahrzeug eines Vereinsmitglieds machen – dass kann bei einer Kaufentscheidung sehr hilfreich sein. Denn da steht kein Verkäufer dahinter, der evtl. nur auf seine Provision aus ist …
Christian Olbrisch: Apropos Kaufentscheidung: Was halten Sie von gebrauchten E-Autos?
Stefan Kirschner: Meine Frau hat sich gerade einen vier Jahre alten Smart-ED gekauft und ist damit sehr zufrieden. Natürlich gibt es E-Fahrzeuge noch nicht sehr lange, so dass der Gebrauchtwagenmarkt übersichtlich ist. Aber die Erfahrungen zeigen, dass die Batterie, das Herz eines E-Autos, relativ lange hält. Händler sind in der Lage, eine E-Autobatterie auszulesen und dadurch zuverlässige Aussagen über deren Qualität zu machen. Oft sind die Batterien eines E-Autos auch nur gemietet, so dass in diesen Fällen die Möglichkeit besteht, bei einem gebrauchten E-Auto eine ganz neue Batterie zu mieten. Außerdem hat ein gebrauchtes E-Auto den entscheidenden Vorteil, dass es sofort zur Verfügung steht. Denn leider sind die Lieferzeiten neuer Autos immer noch sehr lange.
Christian Olbrisch: Hätten Sie sonst noch weitere Ideen, was man tun kann, wenn man kurzfristig ein E-Auto haben möchte?
Stefan Böhmer: Händler geben auch ab und zu Vorführwagen ab. Das ist grundsätzlich eine gute Idee für alle, die kein gebrauchtes Auto möchten, aber schnell ein Auto zur Verfügung haben wollen. Allerdings sollte man hier im wahrsten Wortsinn nicht zu festgefahren sein, was die Autofarbe und -ausstattung anbetrifft, denn die ist bei Vorführwagen nun einmal nicht mehr frei wählbar.
Elektromobilität bei den Stadtwerken
Mehr Informationen zum Thema Elektromobilität bei den Stadtwerken Solingen.
Förderprogramm Klingen Plus
Mehr Informationen zum Förderprogramm Klingen Plus mit verschiedenen Angeboten zur Elektromobilität.